Patrick Moloney

3. Januar 2021

Wertschöpfung in der Kreislaufwirtschaft

Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft wird von vielen aufgrund der erwarteten wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Vorteile als unvermeidlich angesehen. Doch wenn das so vorteilhaft für die Gesellschaft ist, warum geht der Wandel dann nur so langsam voran?

Das Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft beruht auf Logik und bietet zahlreiche Vorteile für unsere Wirtschaft und für unsere Gesellschaft im Ganzen. So wird der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft beispielsweise dazu beitragen, die Produktivität, Gewinne und Wettbewerbsvorteile zu steigern und gleichzeitig die Beziehungen innerhalb der Wertschöpfungsketten zu stärken. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Kreislaufwirtschaft eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen wird. So könnten z. B. die von der Ernährungswirtschaft, der Mobilität und der bebauten Umwelt in der EU verursachten CO2-Emissionen um bis zu 50 % reduziert werden. Es gibt eine Vielzahl an zu erwartenden positiven Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, so zum Beispiel eine erheblich verbesserte Luftqualität und eine geringere Wasserverschmutzung
Doch warum kommt diese Transformation angesichts der zu erwartenden Vorteile für unsere Wirtschaft und Gesellschaft nur so schleppend voran? Ein von Circle Economy veröffentlichter Bericht besagt, dass die Weltwirtschaft derzeit nur zu 8,6 % kreislauforientiert ist und Fortschritte in der Transformation sogar ins Stocken geraten sind. Dies deutet darauf hin, dass es entweder an mangelnder Transformationsfähigkeit oder einem fehlenden Business Case liegt.
Das Verständnis des Wertbegriffs, sowohl in einer linearen als auch in einer Kreislaufwirtschaft, ist von zentraler Bedeutung, um neue Kreisläufe aufzubauen. Aber wird das Konzept des Wertes in einer Kreislaufwirtschaft wirklich verstanden, und, was noch wichtiger ist, werden die Möglichkeiten zur Erfassung des Wertes erkannt?
Was verstehen wir unter Wert?
In der konventionellen Wirtschaftstheorie wird als (Mehr-)wert verstanden, was Kund:innen und Unternehmen durch eine Kette von Aktivitäten verbindet, die zur Gewinnmaximierung führen. Ein Unternehmen bietet Verbraucher:innen ein Produkt oder eine Dienstleistung an, die für beide Seiten einen Mehrwert schafft. Für das Unternehmen wird der Wert gleichbedeutend mit Gewinn sein. Für die Kund:innen liegt der Wert in der Erfüllung eines Bedürfnisses oder Wunsches. In unserer modernen Gesellschaft wird erwartet, dass sich der Wert schnell erschließt, während er durchaus kurzlebig sein kann.
Wertschöpfung in unserer linearen Wirtschaft
Der Wert als Konzept in unserer linearen Wirtschaftsweise ist in den meisten Fällen transaktionsgetrieben und wird durch den Preis bestimmt, der bei dieser Transaktion eine zentrale Rolle spielt. Da der Schwerpunkt darauf liegt, die Kosten und Preise zu senken, wird wenig auf den Wert geachtet, den ein Produkt am „Ende seines Lebens“ haben kann, oder auf den Wert, der mit seinem erneuten Eintritt in den Umlauf verbunden wäre.
Das Konzept des Wertes in unserer linearen Wirtschaftsweise wird zudem sehr stark vom Wettbewerb zwischen Organisationen, Hersteller:innen, Einzelhändler:innen usw. bestimmt, was unweigerlich dazu führt, dass der Schwerpunkt auf der kostengünstigsten Transaktion liegt. Auch dies fördert die Kurzlebigkeit des Wertes, die zusätzlich dadurch unterstrichen wird, dass der Wert nicht in Umlauf gehalten werden kann, wenn es z. B. keine systematische Verwertung am Ende der Lebensdauer gibt. Die Folgen des linearen Werts und des darauf aufbauenden Wettbewerbs lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Wertverschiebung
Die derzeitige lineare Wirtschaftsweise führt zu einem Wertverlust über die Wertschöpfungskette hinweg. Tatsächlich geht der Wert nicht durch kleine Lecks verloren sondern wird regelrecht verschwendet. Daher ist der Werterhalt der Übergang zu einer Wertschöpfung und anschließenden Werterfassung von zentraler Bedeutung für den Wandel zu einer Kreislaufwirtschaft.
Wertverlust
Der Verlust von wirtschaftlichem Wert der Vorleistungen in die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer Dienstleistung tritt zwangsläufig in allen Phasen der Lieferkette und des Geschäftsprozesses auf. Bei jedem Produkt, das wir auf unserem Schreibtisch oder in unserer Wohnung vorfinden und, das aus einem bestimmten Material hergestellt wurde, ist ein bestimmter Prozentsatz des Materials im Produktionsprozess verloren gegangen. Das bezieht sich nicht nur auf die materiellen Komponenten, sondern auch auf alle anderen Ressourcen, wie Wasser und Energie, deren ineffiziente Nutzung zu Wertverlusten führt. Verluste können auch beim Verkauf eines Produkts auftreten, insbesondere, wenn es sich um ein „Einwegprodukt“ handelt. So wird beispielsweise geschätzt, dass jährlich mehr als 400 Milliarden USD an Wert durch den Plastikmüll verloren gehen.
Wertschöpfung
Wertschöpfung ist die Essenz jeglichen Geschäfts, denn die Schaffung und Bereitstellung von Werten auf effiziente Art und Weise führt letztendlich zu einem Gewinn nach Abzug der Kosten. Wert kann auf zahlreiche Arten geschaffen werden, von denen die wichtigsten hier zusammengefasst sind:

Formen der Wertschöpfung

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    Lecks schließen

    Erkennen und Schließen offensichtlicher Leckagen, z. B. durch Prozessoptimierung, Materialauswahl usw.
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    Produktintegrität

    Ergreifen notwendiger Maßnahmen und Geschäftsentscheidungen, um Wartung und Wiederverwendung von Produkten zu ermöglichen.
  • :

    Langlebiges Design

    Gestaltung von Produkten, die haltbarer und langlebiger sind
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    Kaskadierung

    Verschiebung und Nutzung von Materialien zwischen verschiedenen Wertschöpfungsketten
Werterfassung
Die Erfassung von Werten ist der Schlüssel, um den wahren Wert einer Kreislaufwirtschaft aufzudecken. Werte können geschaffen werden, aber aus vielen Gründen unerfasst bleiben. Die Fähigkeit, Werte zu erfassen, ist der entscheidende Katalysator für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft. Es gibt viele Möglichkeiten, Wert zu erfassen. Darunter folgende:

Möglichkeiten zur Wertschöpfung

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    Weiterverkauf

    z. B. "So gut wie neu"
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    Leistungsabhängige Bereitstellung

    z. B. Bezahlung nach Gebrauch
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    Internalisierung

    z. B. vorgelagerte Prozessoptimierung
Ein Beispiel: Büromöbel
Betrachten wir einmal den Prozess der Werterfassung am Beispiel der Büromöbelindustrie. Es wird erwartet, dass die Büromöbelindustrie bis 2024 einen Wert von 96 Milliarden USD erreichen wird. Aktuelle Statistiken zeigen jedoch, dass etwa 85 % aller Büromöbel in irgendeiner Form im kommunalen Abfallstrom enden. Wenn wir jedoch den Schwerpunkt auf die Verlagerung, Schaffung und Erfassung von Wert legen, verfügt die Branche über ein überdurchschnittliches Potenzial, um wirklich zirkulär zu werden. Sehen Sie hier die wichtigsten Wert-Konzepte in der Möbelindustrie.

Konzepte für die Möbelindustrie

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    Leckagen aufspüren und abdichten

    Die Büromöbelindustrie verbraucht eine Vielzahl von neuen Materialien sowie eine große Menge an Energie und Wasser in den Produktionsprozessen. Durch Prozessoptimierung kann die Verschwendung von Materialen minimiert werden.
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    Modulares Design

    Der Schlüssel zu einer kreislauffähigen Möbelindustrie liegt in der Gestaltung von Produkte, die mit minimalem Aufwand repariert/gewartet und wiederverwendet/verteilt werden können. Modulares Design, welches den Ersatz oder das Aufrüsten von Komponenten ermöglicht, ist dabei von zentraler Bedeutung. So kann die Lebensdauer von Büromöbel-Komponenten verlängert werden.
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    Langlebiges Design

    Designer prüfen in Zusammenarbeit mit Herstellern die Haltbarkeit verwendeter Materialien. So kann sichergestellt werden, dass die Materialauswahl die Langlebigkeit eines Produkts sicherstellt.
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    Leihmöbel

    Immer mehr Unternehmen entschieden sich für "Leihmöbel", d. h. sie leasen Büromöbel mit vertraglich festgelegter, integrierter Reparatur und Wartung. Dieser Schritt ist der Schlüssel zur Wertschöpfung und Schließung des Kreislaufs.
Dieses Beispiel veranschaulicht den schrittweisen Ansatz, den die Büromöbelindustrie für die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft wählen könnte. Es ist jedoch zu beachten, dass kein Schritt für sich allein genommen einen Mehrwert für das Möbelunternehmen oder die Kund:innen bringt. Ein langlebiges Design ohne das richtige Geschäftsmodell würde dazu führen, dass das Möbelunternehmen tatsächlich an Wert verliert.
Alle Etappen müssen einbezogen werden, was erneut verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Beziehungen zwischen Hersteller:innen und Kund:innen zu stärken, um einen Mehrwert zu erzielen. Das Möbelunternehmen hat den Anreiz, auf Langlebigkeit, Haltbarkeit und Wartung zu achten, da es das Eigentum am Produkt behält. Kund:innen erhalten währenddessen ein Produkt, das einen höheren Kreislaufwert hat, ökologischer ist und durch einen Reparatur- und Ersatzteilservice aufgewertet wird.
Vorankommen
Nur wenn Werte geschaffen und erfasst werden, können Hersteller:innen, Unternehmen und Kund:innen die vielen Vorteile einer Kreislaufwirtschaft erkennen. Die hier dargelegten Grundsätze und ihre Anwendung auf die Büromöbelindustrie lassen sich auf unsere gesamte Wirtschaft übertragen. Bei Ramboll stellen wir die Werterfassung in den Mittelpunkt unseres Konzepts für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Mit diesem Ansatz können wir sicherstellen, dass der Übergang tatsächlich nachhaltig ist und einen echten Mehrwert für unsere Kund:innen schafft.

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  • Patrick Moloney

    Director, Sustainability Consulting

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