Michael Stevns
26. Februar 2025
Neue Studie der European Climate Foundation untersucht eingebettete Emissionen in der Verkehrsinfrastruktur nordischer Länder
Ein neuer Bericht mit dem Titel “Towards Low-Carbon Transport Infrastructure in the Nordics”, gefördert von der European Climate Foundation, zeigt: Obwohl die nordischen Länder in Sachen Nachhaltigkeit führend sind, werden die Emissionen, die in der Verkehrsinfrastruktur selbst stecken, oft übersehen.
An einem kühlen Morgen in Schweden bereiten Bauarbeiter den ersten Spatenstich für eine neue Eisenbahnstrecke vor, die Stockholm und Göteborg enger verbinden soll. Doch dieses Projekt geht über das Übliche hinaus: Jedes verwendete Material – vom kohlenstoffarmen Zement im Fundament bis zum recycelten Stahl für die Gleise – wurde gezielt ausgewählt, um den CO₂-Fußabdruck zu minimieren.
Es ist ein Beispiel dafür, wie Verkehrsinfrastruktur künftig gestaltet werden könnte: Eine Zukunft, in der Klimaüberlegungen nicht nur bei Fahrzeugemissionen, sondern bereits bei Beton, Stahl und allen Baumaterialien berücksichtigt werden.
Die unterschätzte Emissionsquelle
Der Bericht Towards Low-Carbon Transport Infrastructure in the Nordics zeigt, dass der „verkörperte Kohlenstoff“ – also die Emissionen aus Materialproduktion, Bau, Wartung und Reinvestitionen – bisher kaum in den Fokus gerückt ist. Jahrzehntelang konzentrierten sich politische Entscheidungsträger vor allem auf betriebliche Emissionen, also jene, die durch den Fahrzeugbetrieb entstehen.
Betriebsbedingte Emissionen stehen zwar im Mittelpunkt, aber auch die Emissionen von Baumaterialien und Bauwerken sind entscheidend, um die Klimaziele zu erreichen. Durch den Vergleich nordischer Ansätze können wir wirksamere politische Maßnahmen und Praktiken entwickeln, die echte Dekarbonisierung fördern
Allein in Schweden machten eingebettete Emissionen im Jahr 2022 rund 10 % der gesamten Emissionen des Straßen- und Schienenverkehrs aus. Für Länder, die auf Kohlenstoffneutralität hinarbeiten, wäre es ein kritischer Fehler, diesen Anteil zu ignorieren.
Wie können die Grundlagen des Verkehrs dekarbonisiert werden?
Der Bericht zeigt mehrere Wege, den verkörperten Kohlenstoff zu reduzieren. Lebenszyklusanalysen (LCA) und Kohlenstoffbepreisung können Entscheidungsträgern helfen, bei der Projektplanung emissionsärmere Alternativen zu wählen. Auch das öffentliche Beschaffungswesen spielt eine Schlüsselrolle: Erste nordische Projekte integrieren bereits Kohlenstoffbenchmarks in Ausschreibungen und fördern Lieferanten, umweltfreundlichere Materialien zu entwickeln.
Dennoch bleiben diese Ansätze fragmentiert. Der Bericht empfiehlt:
- Klare Zielvorgaben für verkörperten Kohlenstoff festlegen
- Kohlenstoffbewertungen in alle Projektphasen integrieren
- Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und öffentliche Beschaffung (GPP) auf Lebenszyklusemissionen ausrichten
- Ausschreibungen auf kohlenstoffarme Materialien stützen, unterstützt durch Lebenszykluskostenanalysen (LCC) und Umweltproduktdeklarationen (EPD)
- Standardisiertes Benchmarking für Materialien wie Beton und Stahl einführen, um sektorweite Reduktionen zu fördern
Politisches Rätsel mit ungleichen Fortschritten
Während Schweden bereits ambitionierte Ziele für klimaneutrale Infrastruktur bis 2040 gesetzt hat, haben Finnland und Island noch keine konkreten Vorgaben, und Dänemark ist bei Schienen- und Straßenprojekten weiter. Selbst dort, wo Zielvorgaben existieren, bleibt die Überwachung uneinheitlich, da Daten häufig nur auf Projektebene vorliegen.
Die Zusammenarbeit innerhalb der Region treibt jedoch Fortschritte voran. Seit 2017 arbeiten nordische Straßenverkehrsbehörden gemeinsam daran, Ökobilanzen zu harmonisieren und verkörperten Kohlenstoff zu reduzieren. Durch Wissensaustausch und gemeinsame Forschung wurden Methoden, Bewertungsinstrumente und Beschaffungsstrategien entwickelt, die nachhaltige Infrastruktur fördern.
Aufruf zum Handeln
Es gibt kein Patentrezept für den Umgang mit verkörpertem Kohlenstoff in der Verkehrsinfrastruktur. Stattdessen brauchen wir einen vielschichtigen Ansatz, der die disziplinübergreifende Zusammenarbeit und den kontinuierlichen Wissensaustausch über Projektphasen hinweg fördert. Da Infrastrukturprojekte immer komplexer werden, ist eine Kultur des gemeinsamen Wissensaustauschs von entscheidender Bedeutung, um sinnvolle Kohlenstoffreduzierungen zu erreichen.
Neben Wissensaustausch seien standardisierte Nachhaltigkeitsprozesse entscheidend, um Ressourcen gezielt einzusetzen. „Ein Standardprozess bedeutet nicht nur Zielsetzung, sondern auch das Aufdecken und Eliminieren ineffizienter Aktivitäten, während wir Ressourcen für wirksame Nachhaltigkeitsmaßnahmen bereitstellen“, so Dettenborn.
Die nordische Region ist bestens positioniert, eine globale Vorreiterrolle bei der Dekarbonisierung von Infrastruktur einzunehmen. Doch der Bericht macht klar: Zeit ist entscheidend. Um Schienen- und Straßennetze klimafreundlich zu gestalten, sind dringende Maßnahmen erforderlich, bevor unsere Verkehrsbasis selbst zum Hindernis auf dem Weg zur Klimaneutralität wird.
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Xavier Le Den
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Taavi Dettenborn
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Christopher Marton
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