8. Dezember 2020

Zuwanderung gestalten, soziale Integration fördern

Zuwanderung und Migrationsprozesse stellen auch im Jahr 5 nach der großen Flüchtlingswelle Bund, Länder und Kommunen vor zahlreiche Herausforderungen. Unsere Expertinnen Angela Köllner und Kristina Broens berichten im Interview, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und wie sie bei Ramboll konkrete Unterstützung leisten.

Vor welchen Herausforderungen stehen öffentliche Institutionen beim Integrationsprozess für zugewanderte Menschen?

Angela Köllner: Die große Frage dahinter lautet: Wie gestalten Bund, Länder und Kommunen langfristig die soziale Integration von Zugewanderten? Welche Strategien braucht die öffentliche Hand, um nicht nur kurzfristige Lösungen für Unterbringung, Sprachkurse und Arbeitsmarktzugänge zu schaffen? Welchen Part hat die Aufnahmegesellschaft und wo können und müssen auch die Communities selbst stärker aktiv werden? Hier müssen sich Politik und Verwaltung positionieren und – gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren – für die Zukunft aufstellen.

Wir erleben derzeit, dass das Thema Integration von der politischen Agenda verschwindet oder mit Berührungsängsten verbunden ist. Eine Umfrage der Robert Bosch Stiftung im Programm „Land.Zuhause.Zukunft“ unter 78 Landkreisen hat u.a. ergeben, dass Unterstützungsbedarf bei der politischen Kommunikation gesehen wird. Eine sinkende politische Bedeutung und / oder fehlende Akzeptanz von Integrationsthemen sowie die aktuelle Überlagerung mit COVID-Themen erschwert vor Ort die strategische Priorisierung. Hier fehlt es häufig an Risikobewusstsein in der Politik.

In welchen Bereichen besteht aktuell noch besonders viel Handlungsbedarf?

Kristina Broens: Wir erleben, dass sich die Handlungsbedarfe bei unseren Kunden verändert haben – von der Bereitstellung kurzfristiger Lösungen im Bereich der Erstaufnahme und Sprachkursen hin zu nachhaltigen sozialen Integrationskonzepten. Vor allem in den Kommunen steht die Frage im Raum, wie sich zugewanderte Menschen langfristig in ihrer Stadt / Gemeinde zu Hause fühlen können und was dafür von kommunaler Seite, aber auch von Seite aller Bürgerinnen und Bürger eingebracht werden muss. Also konkret: welche Beteiligungsmöglichkeiten haben Zugewanderte in ihrer Stadt? Wie können sich Vereine für neue Zielgruppen öffnen? Wie können Migrantenorganisationen selbst stärker als zivilgesellschaftlicher Akteur für die Gestaltung von Integration aktiv werden? Hier liegen auch Chancen in der zunehmenden Digitalisierung – vor allem im ländlichen Raum. Die Erreichbarkeit von Zielgruppen gerade in Flächenkreisen kann durch digitale Angebote deutlich erhöht werden. Angela Köllner: Die soziale Integration sowie die Integration von Zugewanderten auf dem Arbeitsmarkt ist ein langjähriger Prozess mit vielen Herausforderungen – sowohl für die Aufnahmegesellschaft als auch für Zugewanderte. Dies gilt im Übrigen nicht nur für neu zugewanderte Menschen, sondern auch für EU-Arbeitsmigrantinnen und -migranten, die schon länger in Deutschland leben, aber keine Anbindung an das gesellschaftliche Leben in ihrer Stadt / Gemeinde haben. Auch die Themen Spracherwerb und Arbeitsmarktintegration sind nach wie vor ein „Dauerbrenner“. Hier braucht es passgenaue Projekte in Kommunen, auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene. Wichtig ist es, dass solche Projekte nachhaltig wirken und eine langfristige Integration sicherstellen – teilweise auch mit Fokus auf spezielle Gruppen, wie Frauen. Bei der Rekrutierung und Bindung ausländischer Fachkräfte und ihrer erwerbsfähigen Angehörigen stehen wiederum andere Herausforderungen im Vordergrund, damit sie Deutschland als attraktives Zuwanderungsland wahrnehmen. Hierzu gehört eine etablierte Willkommens- und Anerkennungskultur sowie eine passgenaue Beratung durch Arbeitsverwaltung, Ausländerbehörden und Beratungsstellen in den Kommunen im Zuge der Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetztes.

Wie unterstützt Ramboll konkret bei der Bewältigung dieser Herausforderungen?

Angela Köllner: Wir beraten öffentliche Verwaltung sowie Stiftungen und Organisationen im Non-Profit-Bereich mit unserer Fach- und Methodenexpertise in den Bereichen Migration und Integration. So unterstützen wir Bund und Länder bei der Bewertung der Wirkungen (Evaluation) ihrer Integrations- und Arbeitsmarktprogramme. Das Nachhalten und „Messen“ (Monitoring) von Integrationserfolgen und eine indikatorbasierte Qualitätssicherung ist zunehmend von Bedeutung, sei es für den Kreistag, wenn es um den Einsatz von Finanzmitteln für die frühkindliche Bildung in Kitas geht, sei es für die Bundesländer, wenn es um die Unterbringungsqualität in Aufnahmeeinrichtungen geht.

Uns ist es in allen Projekten wichtig, die Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure wie Kommunen, Trägern von Beratungs-, Betreuungs- und Bildungsangeboten, Ehrenamt und Migrantenselbstorganisationen und neuen deutschen Organisationen zu stärken, Netzwerke zu etablieren und nachhaltige Teilhabestrukturen zu schaffen. Auch wenn wir die „Evaluationsbrille“ aufsetzen, arbeiten wir mit partizipativen Erhebungsmethoden.

Kristina Broens: Als nordisch geprägte Beratung organisieren wir auch den Wissens- und Lösungstransfer zwischen den skandinavischen Ländern, unserem Team in Brüssel und Deutschland, z.B. bei Fragen einer nachhaltigen Quartier- und Stadtentwicklung mit Blick auf inklusive Fragestellungen. In unserem unternehmensinternen, länderübergreifenden „Integration Policy Network“ kommen Kolleginnen und Kollegen von Ramboll aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Deutschland sowie unserem EU-Team regelmäßig zum Austausch zusammen. Davon profitieren auch unsere Kunden ganz konkret: In den vergangenen Jahren haben wir für sie erfolgreiche länderübergreifende Austauschformate geplant und durchgeführt.