22. März 2022

Was bedeuten die steigenden Energiepreise für die grüne Energiewende?

Ramboll geht der Frage nach, was die Ursachen für den enormen Anstieg der Kosten für Öl, Gas und andere fossile Brennstoffe im letzten Jahr ist und was nötig ist, um Investitionen in erneuerbare Energien zu beschleunigen.

Die Politik im Energiebereich ist erneut in den Fokus gerückt und teilt sich die Schlagzeilen mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine. Doch die derzeitige Unbeständigkeit der Märkte ist per se nicht neu.

In Deutschland haben sich die durchschnittlichen Stromkosten zwischen 2020 und 2021 laut Bloomberg fast verdreifacht. In den nordischen Ländern stiegen die Preise im gleichen Zeitraum um 470 %, wodurch die Energiewende ganz oben auf der politischen Agenda steht.

Obwohl die Staats- und Regierungschefs der EU und der USA mehr Investitionen in erneuerbare Energien angekündigt haben, um ihre Energieabhängigkeit von Russland zu verringern, bleibt die Frage offen, ob höhere Preise für fossile Brennstoffe allein mehr Investitionen in erneuerbare Energien bewirken können.

Die kurze Antwort von Per Jørgensen, Leiter des Bereichs Gasinfrastruktur bei Ramboll, darauf lautet "nicht unbedingt".

"Die höheren Preise sind nicht unbedingt positiv für erneuerbare Energien und schon gar nicht für das Klima", erklärt er. " Weil Gas teurer geworden ist, ist man im Jahr 2021 teilweise wieder auf Kohle als Stromquelle umgestiegen. Und da Kohle umweltschädlicher ist, haben die CO2-Emissionen zugenommen".

"Es ist schwer zu sagen, ob die hohen Energiepreise Investoren abschrecken werden. Es ist möglich, dass sie aber sicherlich auch Investoren anziehen werden", fügt er hinzu.

5 Gründe für den Anstieg der Energiepreise

Um die Wechselwirkung zwischen den Energiepreisen und der grünen Transformation zu verstehen, müssen wir zunächst einmal wissen, warum die Energiepreise so stark gestiegen sind. Laut Per Jørgensen gibt es fünf Hauptgründe für den Anstieg:

  1. Die Covid-19-Pandemie ließ die Nachfrage nach Öl, Kohle und Gas einbrechen, was mit einem anhaltenden Trend zu geringeren Investitionen in diesem Sektor zusammenfiel. Als die Wirtschaft sich erholte, konnte das Angebot die Nachfrage nicht decken.
  2. Im Rahmen der Umstellung auf grüne Energie wird die Produktion aus europäischen Gasquellen zurückgefahren. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Groningen-Feld in den Niederlanden, einst das größte Gasfeld Europas, das voraussichtlich 2022 stillgelegt wird.
  3. Ein kalter Winter in Asien im Jahr 2021 hat die Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas erhöht. In der Zwischenzeit war die Windproduktion in Europa unterdurchschnittlich, was die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen reduziert hat.
  4. Die EU-Kommission hat die Zahl der Kohlenstoffzertifikate reduziert, was zu einem Anstieg der Kohlenstoffpreise beigetragen hat.
  5. Die Sanktionen gegen Russland haben zu einer weiteren Unbeständigkeit auf dem Energiemarkt geführt. Dies gilt insbesondere für die EU, die im Jahr 2021 40 % ihres Gases aus Russland importieren ließ.

Wie wirken sich die steigenden Energiepreise auf grüne Investitionen aus?

Einige Experten haben die aktuelle Situation mit den Energiekrisen der 1970er Jahre verglichen. Im Jahr 1973 führte ein Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarn zu einer Ölkrise, die letztlich die erste Saat für die aufkommende Windindustrie legte. Könnte diese Krise zu einem ähnlichen Ergebnis führen?

Das ist nicht ausgeschlossen, aber Patrick Gilly, Global Division Director of Energy Transition bei Ramboll, erklärt, dass die Preise zwar derzeit hoch sind, die Investoren ihre Entscheidungen aber wohl kaum von kurzfristigen Preisschwankungen abhängig machen werden:

"Energie war schon immer unbeständig", erklärt Patrick Gilly. "Investitionen in Energieinfrastrukturen sind von Natur aus langfristig angelegt. Das bedeutet, dass die Investoren auf Höhen und Tiefen vorbereitet sind und ihre Investitionsentscheidungen kaum von den Preisschwankungen eines einzigen Winters abhängig machen werden. Die größere Frage ist, ob Investitionen in erneuerbare Energien genauso rentabel sein können wie Investitionen in Öl und Gas in der Vergangenheit.

Die Antwort auf diese Frage hängt von einer Reihe von Variablen ab, unter anderem von den Rohstoffpreisen, den Zinsen und der Regulierung auf dem Markt.

Patrick Gilly geht davon aus, dass sich die Rohstoffpreise auf die Lieferkette und die Kosten der erneuerbaren Energien auswirken werden. Er vergleicht dies mit einem ähnlichen Zeitraum ab 2003-4, als hohe Rohstoffpreise zu einem Zustrom von Investitionen in fossile Brennstoffe geführt haben:

"Diese zusätzlichen Investitionen führten zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und Fachingenieur:innen. Für erneuerbare Energien stellt sich im Hinblick auf die Menschen die gleiche Herausforderung. Es geht nicht nur um die Rohstoffpreise, sondern auch um die Möglichkeit, so viele Fundamente für Wind- oder Solaranlagen zu transportieren und zu installieren", erklärt er.

Die Preise für Rohstoffe, die für die Herstellung von Solarmodulen und Windturbinen verwendet werden, sind im vergangenen Jahr stark gestiegen. Die steigenden Energiepreise haben einige Hersteller von Rohstoffen dazu veranlasst, ihre Produktion einzuschränken oder einzustellen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur haben die Rohstoffpreise jedoch nur begrenzte Auswirkungen auf die neue Nachfrage nach erneuerbaren Energien gehabt.

Laut Per Jørgensen werden auch die Zinssätze einen wichtigen Einfluss haben:

"Bei den erneuerbaren Energien fallen die meisten Kosten im Voraus an. Dadurch reagieren sie empfindlicher auf die langfristigen Zinssätze, da sich die Investitionen über einen Zeitraum von 30 Jahren amortisieren. Dies ist beispielsweise bei der Nutzung von Schiefergas in den Vereinigten Staaten anders, wo sich die Investitionen schneller amortisieren", erklärt er.

Eine Frage der Zeit

Die Billionen-Dollar-Frage bei der grünen Transformation ist, ob wir schnell genug handeln, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden.

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