Patrick Moloney

6. Juli 2021

Taxonomie der Kreislaufwirtschaft: Warum wir dieselbe Sprache sprechen müssen

Warum sollten wir nicht versuchen, Abfall und Verschmutzung schon per Design zu vermeiden, Ressourcen im Fluss zu halten oder natürliche Systeme zu regenerieren? Als Gesellschaft, und als Unternehmen? Wenn diese Grundprinzipien der Kreislaufwirtschaft so sinnvoll sind, warum kommt der Übergang dann nur so langsam voran? Dieser Artikel geht dieser Frage nach und plädiert für die Einführung einer neuen, gemeinsamen Sprache, mithilfe der EU-Taxonomie der Kreislaufwirtschaft.

A metro in Copenhagen, Amager. Used for ingenuity article - What is a livable city?
Es gibt eine Vielzahl von Hindernissen für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft, die sich je nach Betrachtungsweise unterschiedlich darstellen. Ein übergreifendes Thema ist jedoch das offensichtliche Fehlen einer gemeinsamen Definition, gemeinsamer Kriterien und gemeinsamer Maßstäbe.
Die Geschichte des Turmbaus zu Babel zeigt uns, wie gemeinsame Bestreben ohne eine gemeinsame Sprache scheitern. Wenn alle Organisationen (sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors) unterschiedliche Sprachen sprechen oder in Bezug auf den Übergang zur Kreislaufwirtschaft unterschiedliche Dialekte verwenden, wird es sehr schwierig sein, dabei Fortschritte zu erzielen.
Fortschritte sind jedoch dringend notwendig, um unsere natürlichen Ressourcen zu erhalten, unsere Artenvielfalt zu schützen und zu bewahren sowie die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren.
Die Hindernisse unterscheiden sich von Sektor zu Sektor und von öffentlicher Hand zu Privatunternehmen. Klar ist jedoch: je mehr Hindernisse bestehen, desto geringer ist die Bereitschaft, in die Kreislaufwirtschaft zu investieren, sei es durch öffentliche Mittel oder durch private Investitionen. Im Folgenden erläutern wir einige dieser Hindernisse aus der Sicht von Befürworter:innen von Kreislaufinitiativen sowie aus der Sicht von Investor:innen oder Finanzier:innen. Die Liste der Hindernisse ist bei weitem nicht erschöpfend, sondern verdeutlicht nur die Herausforderung, vor der wir stehen.
Es ist offensichtlich, dass es eine gemeinsame Definition und sektorspezifische Kriterien braucht, die festlegen, wie genau eine Kreislaufwirtschaft in einem bestimmten Sektor aussieht und auch wie sie gemessen werden kann. Aber wer sollte da die Verantwortung übernehmen? Noch wichtiger: Wer hat die Autorität, eine gemeinsame Sprache nicht nur zu schaffen, sondern sie auch zum Standard zu machen?
Die EU-Taxonomie
Sie ist zwar keine offizielle „lingue franca“, aber nahe genug dran: Die „EU-Taxonomie-Verordnung“ wird die meisten europäischen Finanz- und Nichtfinanzunternehmen, dazu verpflichten, die ökologische Nachhaltigkeit ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten offenzulegen.
Außerdem ist die Kreislaufwirtschaft als eines von sechs Umweltziele in der Taxonomie verankert. Da die ersten Angaben zur EU-Taxonomie Ende 2021 und im Laufe des Jahres 2022 fällig sind und es sich dabei um ein recht komplexes und umfangreiches Regelwerk handelt, ist es von entscheidender Bedeutung, so bald wie möglich mit der Anpassung daran zu beginnen. Aber was wird die Taxonomie der Kreislaufwirtschaft wirklich bewirken? Schauen wir uns die Taxonomie der Kreislaufwirtschaft einmal genauer an.
Taxonomie der Kreislaufwirtschaft
Die EU hat die Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren in den Mittelpunkt gerückt. Die drei beigefügten Dokumente spielen eine wichtige Rolle bei der Festlegung von Prioritäten für die Kreislaufwirtschaft, aber auch für ihre Definition. Die im Juli 2020 in Kraft getretene EU-Taxonomie-Verordnung stützt sich auf diese Veröffentlichungen, um zu definieren, wie eine wirtschaftliche Aktivität als wesentlicher Beitrag zum Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu klassifizieren ist.
Die wichtigsten Kriterien für die Beitragsleistung einer Wirtschaftstätigkeit werden im Folgenden in sechs Schlagworten dargestellt. Der in den kommenden Monaten zu erwartende delegierte Rechtsakt wird spezifische Kriterien mit spezifischen Metriken, Schwellenwerten usw. im Einklang mit diesen Kernkriterien festlegen.
Ressourceneffizienz: Effizientere Nutzung natürlicher Ressourcen, einschließlich nachhaltig gewonnener biobasierter und anderer Rohstoffe, in der Produktion.
Langlebigkeit und Reparierbarkeit: Erhöhung der Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Aufrüstbarkeit oder Wiederverwendbarkeit von Produkten, insbesondere bei der Entwicklung und Herstellung.
Gefahrstoffe: Erhebliche Reduzierung des Gehalts an gefährlichen Stoffen und Einsatz von Ersatzstoffen für besonders besorgniserregende Substanzen in Materialien und Produkten.
Sekundärrohstoffe: Steigerung der Verwendung von Sekundärrohstoffen und deren Qualität, auch durch hochwertiges Recycling von Abfällen.
Längerer Gebrauch: Verlängerung der Nutzungsdauer der Produkte, u.a. durch Wiederverwendung, Design für Langlebigkeit, Zweckerweiterung, Demontage, Wiederaufbereitung, Aufrüstung und Reparatur sowie gemeinsame Nutzung.
Vorsorge und Reduktion: Vermeidung und Verringerung der Entstehung von Abfällen aus dem Abbau von Mineralien und Abfällen beim Bau und Abriss von Bauwerken.
Der delegierte Rechtsakt wird spezifische Kriterien für die Unternehmen festlegen, die beispielsweise in den Bereichen Landwirtschaft, Energie und verarbeitendes Gewerbe sowie Verkehr und Bau- und Immobilienwesen tätig sind. Es werden klare Beschreibungen der Tätigkeiten sowie technische Screening-Kriterien vorgegeben werden. Dies wird wirklich ein entscheidender Moment für die Kreislaufwirtschaft sein.
Die Chance ergreifen
Die EU-Taxonomie umfasst so viel mehr als bloß eine Anpassung. Aus Perspektive des Übergangs rückt eine angemessene Taxonomie die Kreislaufwirtschaft ein für alle Mal an die Spitze der Agenda für nachhaltige Finanzen und gibt ihr die Bedeutung, die ihr zukommt. Um diese Gelegenheit optimal zu nutzen, müssen jetzt entsprechende Anstrengungen unternommen und die sich auftuenden Chancen sowohl erkannt als auch genutzt werden.
Es gibt genügend Informationen und Anleitungen, um eine klare Leitlinie vorzugeben, was es bedeutet, einen wesentlichen Beitrag zum Übergang zur Kreislaufwirtschaft zu leisten. Der Nachweis, dass ein Finanzinstitut oder ein Nichtfinanzunternehmen einen wesentlichen Beitrag zum Übergang in die Kreislaufwirtschaft leistet, stellt eine vielfältige Chance dar.
Viele der Organisationen, die einen wichtigen Beitrag zu den Klimazielen leisten, werden natürlich auch ihr Bestes für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft tun. Aber was ist mit denen, die nicht zur Eindämmung oder Anpassung an den Klimawandel beitragen? Was bedeutet das für die Unterstützer:innen oder auch für KMU? Welche Möglichkeiten bietet die Taxonomie der Kreislaufwirtschaft für die Investorengemeinschaft?
Nichtfinanzunternehmen, die nicht zu den Klimazielen beitragen
Viele Nichtfinanzunternehmen tragen nicht wesentlich zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel bei. Für diese Unternehmen kann sich jedoch die Gelegenheit ergeben, ihren Beitrag zum nachhaltigen Wandel und ihre Anpassung an die Taxonomie durch Aktivitäten zu veranschaulichen, die stattdessen zum Kreislaufwirtschaftssystem beitragen.
Zum Beispiel können produzierende Unternehmen, die auf einen höheren Anteil an Sekundärrohstoffen umstellen können, so über die Kreislaufwirtschaft einen Beitrag zum nachhaltigen Wandel leisten, während es ihnen sonst schwer fallen würde, etwas Positives zu tun. Diese Unternehmen verfügen nun einen Rahmen, in dem sie positive Fortschritte und Beiträge nachverfolgen und veröffentlichen, und so ihre Marke und den Gesamtwert ihres Unternehmens bzw. Produkts steigern können.
Unterstützer:innen
Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft wird mehr als jedes andere Ziel der EU-Taxonomie in hohem Maße von Unterstützer:innen abhängen. Ob digitale Plattformen, die gemeinsame Nutzungen ermöglichen, oder Materialtechnologien, die als Katalysatoren für eine Wiederaufbereitung dienen – eine Taxonomie der Kreislaufwirtschaft bietet die große Chance, solche Wegbereiter nicht nur als zentral für die Kreislaufwirtschaft zu klassifizieren, sondern auch als Schlüssel für den gesamten nachhaltigen Wandel zu nutzen.
Die Möglichkeit, auf diese Weise Investitionen anzuziehen und gleichzeitig als relevant für die Nachhaltigkeitsagenda zu gelten, ist eine große Chance. Diese Wegbereiter müssen jedoch nicht nur erkennen, dass sie jetzt tatsächlich relevant sind, sondern dies auch klar kommunizieren, um Investitionen anzuziehen, ihre Marke zu stärken und so möglicherweise ihren Kundenstamm ausbauen zu können.
KMU
Kurzfristig ist die Anpassung an die Taxonomie für KMU nicht verpflichtend (mittelfristig ist aber mit einer Ausweitung dieser Verpflichtung auf die KMU zu rechnen). KMU, die einen Beitrag zum Übergang zur Kreislaufwirtschaft leisten können, werden jedoch sicherlich leichter Zugang zu nachhaltiger Finanzierung finden.
Eine solche Angleichung ist zudem ein starkes Kommunikationsinstrument, um die eigene Marke und Umweltfreundlichkeit insgesamt zu verbessern. Dies gilt natürlich noch stärker für KMU, die es schwer haben, zu den übrigen Zielen beizutragen. KMU, die eine Anpassung an die Taxonomie der Kreislaufwirtschaft nachweisen können, werden als Zulieferer attraktiver sein als ihre Konkurrenten, insbesondere wenn die belieferten Unternehmen/Kund:innen gesetzlich zur Anpassung an die Taxonomie verpflichtet sind.
Investor:innen
Den Investor:innen geht es nicht nur um die Marke und die Ausrichtung ihrer Portfolios, sondern auch um die Investitionsrisiken. Wenn sie jetzt schon Investitionsmöglichkeiten auf Grundlage der bestehenden und erwarteten Taxonomiesprache suchen und nutzen, können Investor:innen eine höhere Rendite für ihre Investitionen in die Kreislaufwirtschaft erwarten, als wenn sie damit bis 2022 warten. Dann werden die Investitionsmöglichkeiten in die Kreislaufwirtschaft nämlich auch für andere Investierende attraktiver, was die Investitionskosten in die Höhe treiben wird.
Ausblick
Es liegt auf der Hand, dass eine Taxonomie der Kreislaufwirtschaft nicht perfekt sein wird, aber noch deutlicher ist ihre absolute Notwendigkeit. Es muss definiert werden, was Kreislaufwirtschaft ist, es müssen Basislinien und Bezugspunkte festgelegt werden, es muss Vertrauen in die Finanzwelt geschaffen werden, aber den Interessengruppen muss auch ein einheitliches Vokabular dazu zur Verfügung gestellt werden.
Es wird einige geben, die sich nicht eingeschlossen sehen oder Schwierigkeiten haben werden, sich anzupassen. Bei der Erstellung von Definitionen und der Entwicklung einer gemeinsamen Sprache ist es unvermeidlich, dass einige zunächst draußen vorbleiben werden. Doch wir müssen bedenken, dass dies der erste Versuch ist, eine gemeinsame Sprache zu schaffen. Deshalb räumt die EU ausdrücklich ein, dass es sich um einen „Learning by doing“-Prozess handelt. Feedback wird einfließen, Lehren werden gezogen, die Sprache wird verfeinert und die Liste der Beteiligten wird erweitert werden.
Vor allem aber ist jetzt klar, dass der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft als direkte Folge einer Taxonomie der Kreislaufwirtschaft an Dynamik gewinnen wird. Eine Taxonomie der Kreislaufwirtschaft wird Definitionen und Beschreibungen speziell für wirtschaftliche Aktivitäten festlegen, sie wird die Kriterien beschreiben - und, was noch wichtiger ist, sie wird Metriken und Schwellenwerte festlegen.
Diejenigen, die jetzt sowohl der Angleichung an die Taxonomie als auch der Umstellung auf eine Kreislaufwirtschaft in ihrem Unternehmen oder ihrer Finanzinstitution Priorität einräumen, werden nicht nur einen Marktvorteil erlangen, sondern auch eine wichtige Rolle beim nachhaltigen Wandel spielen.

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  • Patrick Moloney

    Director, Sustainability Consulting

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