Mark Romanelli

31. Oktober 2022

Gesicherte Geschäftstätigkeit dank Lieferketten-Nachhaltigkeitsmanagement

Ähnlich wie ein Schiff, das im Suez-Kanal feststeckt, kann fehlendes Nachhaltigkeitsmanagement in Zukunft zu ernsthaften Störungen Ihrer Lieferkette führen. In diesem Artikel hilft Ihnen unsere Expertin Christine Pries, Ihre Geschäftstätigkeit mit einem bestens bewährten Verfahren auf Kurs zu halten.

Die ersten Schritte: Klarheit schaffen
Der Schlüssel für die ersten Schritte in Richtung Kreislaufwirtschaft besteht für Unternehmen darin, das im Übergang zur Kreislaufwirtschaft enthaltene Wertversprechen zu verstehen und vor allem zu verstehen, wie man diesen Wert für sich nutzbar machen kann. Diesem Verständnis steht jedoch fehlende Klarheit über die Ausgangsbasis bzw. den Bezugspunkt der Kreislaufwirtschaft im Wege. Der Schlüssel, den ein Unternehmen braucht, um Klarheit und Sicherheit für seinen Weg in die Zukunft zu erlangen, besteht in der Ermittlung und Quantifizierung des Bezugspunkts und der Distanz, die zum Ziel – der Nutzbarmachung des Wertes – zu überbrücken ist.
Eine effektive Beschäftigung mit der Kreislaufwirtschaft sollte ein Unternehmen in die Lage versetzen, die mit einem bestimmten Produkt oder Produktionsprozess verbundenen Wertverluste oder „Lecks“ in Ressourcenströmen zu ermitteln und nach Möglichkeit zu messen. Auf der Grundlage dieser ermittelten und gemessenen „Lecks“ können dann weitere Initiativen entwickelt und implementiert werden, die für Wertschöpfung sorgen. Unternehmen neigen jedoch dazu, nach Chancen zur Wertschöpfung aus der Kreislaufwirtschaft zu suchen, ohne sich zunächst klar gemacht zu haben, was ihr Bezugspunkt ist und wo ihr Wertverlust gegenwärtig stattfindet.
Wertschöpfung zu planen, ohne zunächst den Bezugspunkt zu kennen, die Lecks zu ermitteln und die Distanz zum Ziel zu messen, birgt ein erhebliches Risiko, dass Initiativen ausgewählt und entwickelt werden, die im besten Fall wirtschaftlich suboptimal und im schlimmsten Fall komplett unwirtschaftlich sind.
Dieser Artikel bietet eine kurze Beschreibung der Schritte, die unserer Auffassung nach für eine effektive Kreislaufwirtschaftsanalyse am wichtigsten sind: Bezugspunkt, Entfernung zum Ziel, Schritte zur Minderung des Risikos.
Vier wichtige Schritte
Vier wichtige Schritte bilden die Grundlage für die Auswahl geeigneter Hilfsmittel und Kennzahlen für die Beurteilung von Wertverlust und Wertschöpfungspotenzialen sowie zur Abschätzung der Chancen und Herausforderungen bei der Erschließung des Wertes.
Nachdem die Corona-Pandemie ans Licht gebracht hatte, wie fragil die Lieferketten sind, stehen sie fast überall ganz oben auf der Tagesordnung. Gleichzeitig ist Nachhaltigkeit aufgrund unterschiedlicher von Kund:innen, Anleger:innen, Aufsichtsbehörden und Zivilgesellschaft ausgehender Zwänge ein Schwerpunktthema für die Unternehmen. Aber Anstrengungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit werden die Fokussierung auf die Lieferketten nur noch mehr verstärken.
Im Durchschnitt liegen zwei Drittel der Nachhaltigkeitsauswirkungen in den der eigenen Tätigkeit eines Unternehmens vorgelagerten Bereichen. Und trotz ihres scheinbar externen Charakters haben diese Auswirkungen reale wirtschaftliche/finanzielle Folgen. Wir wissen bereits, dass ökologische und soziale Faktoren erhebliche Risiken von Lieferkettenunterbrechungen beinhalten können, beispielsweise Unterbrechungen des Materialflusses, erhöhte Materialkosten, Rufschädigung, etc.
Dies ist die Art von Risiken, die während der Corona-Pandemie tatsächlich eintrafen. Wenn sie nicht gemindert und/oder gesteuert werden, werden sie sich fortsetzen oder noch weiter anwachsen. Und sofern ein Unternehmen Nachhaltigkeitsziele hat, sorgen die Überwachung und das Management der Lieferkette dafür, dass diese Ziele von den vorgelagerten Auswirkungen nicht untergraben werden.
Die Nachhaltigkeit in der Lieferkette in Bezug auf Treibhausgas-Emissionen (THG) bzw. Scope 3-Emissionen bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Laut Schätzungen von Berichten sind die THG-Emissionen 11,4 Mal so hoch wie die direkten Emissionen (aus Emissionsquellen der Scopes 1 und 2). Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Anleger:innen und Aufsichtsbehörden immer genauer auf die THG-Emissionen schauen und der Klimawandel eine Vielzahl an Risiken mit sich bringt, ist dies für alle Unternehmen ein äußerst wichtiges Thema.
Hinweis: Unternehmen schauen zunehmend auch auf Nachhaltigkeitseffekte, die von ihnen beeinflusst werden, aber außerhalb ihrer direkten Lieferkette liegen.
Mehr über das Konzept der „vermiedenen Emissionen“ lesen Sie hier.
Festlegen von Schwerpunktbereichen
Nachhaltigkeit in einer Lieferkette kann viele Themen umfassen. Wie bereits erwähnt, werden die THG-Emissionen wahrscheinlich ohnehin Gesprächsgegenstand sein, aber der erste Schritt zu einem umfassenden Nachhaltigkeitsmanagement in der Lieferkette besteht darin, die für Ihr Unternehmen wichtigsten und relevantesten Themen innerhalb Lieferkette festzulegen. Anders gesagt, geht es um die Ermittlung der Themen, die von den Lieferant:innen Ihres Unternehmen am stärksten betroffen sind und sich mit der größten Wahrscheinlichkeit auf die Nachhaltigkeit, die Beschaffung und die übergeordneten wirtschaftlichen Ziele Ihres Unternehmens auswirken werden.
Im ersten Schritt werden einige Kernthemen aus dem Gesamt-Themenbereich Nachhaltigkeit von Lieferketten ausgewählt, die als Grundlage für die nachfolgende Einbindung der Lieferant:innen dienen, zumindest kurz- bis mittelfristig. Eine Bewertung der Schwerpunktthemen sollte mindestens in Abständen einiger weniger Jahre vorgenommen werden, damit gewährleistet ist, dass die wichtigsten Themen nach wie vor relevant für die Lieferkettenmanagementstrategie sind.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Anleger:innen und Aufsichtsbehörden immer genauer auf die THG-Emissionen schauen und der Klimawandel eine Vielzahl an Risiken mit sich bringt, ist dies für alle Unternehmen ein äußerst wichtiges Thema.

CHRISTINE PRIES
NACHHALTIGKEITSEXPERTIN BEI RAMBOLL MANAGEMENT CONSULTING

Entwicklung von Optimierungsstrategien
Der nächste Schritt besteht darin festzulegen, wie Ihre Lieferant:innen eingebunden werden können, um ihre Leistung bei den ermittelten wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen in Ihrer Lieferkette zu verbessern und Resilienz in Ihrer Lieferkette aufzubauen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Bei unserem typischen Ansatz schlagen wir zwei zentrale Maßnahmen vor, um zu gewährleisten, dass sich Ressourcen und Anstrengungen auf diejenigen Lieferant:innen richten, bei denen die größte Wirkung erzielt werden kann.
  1. Legen Sie mit einem Lieferanten-Segmentierungsprozess fest, welche Lieferant:innen Sie für ein proaktives Management von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen gewinnen wollen
  2. Entwickeln Sie eine differenzierte Lieferanten-Nachhaltigkeitsmanagementstrategie für strategische, neue und nachrangige Lieferantensegmente
In jedem Lieferantensegment sollten sich die Einbindungsstrategien darauf konzentrieren, die Lieferant:innen in einer Weise zu beeinflussen, die sie am wahrscheinlichsten zu einer Verbesserung ihrer Verfahren veranlassen wird, und zugleich die Geschäftspartnerschaft stärken wird.
Um ein paar Beispiele zu geben: Bei Lieferant:innen, die sowohl bei der Beeinflussbarkeit als auch bei der strategischen Bedeutung für das Unternehmen hoch bewertet wurden, können gemeinsame Geschäftsplanung und Nachhaltigkeitsziele Innovationen vorantreiben. Außerdem kann der Wissensaustausch Einsparpotenziale durch Ressourceneffizienz und gesteigerte Produktivität freisetzen, durch die sich der geschäftliche Nutzen für beide Parteien erhöht.
Bei Lieferant:innen, die bei ihrer Beeinflussbarkeit und strategischen Bedeutung für das Unternehmen niedriger bewertet sind, erfordern einfachere Maßnahmen wie die Einführung bzw. Aktualisierung eines Verhaltenskodexes für Lieferant:innen und/oder die Schaffung von Anreizen zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz durch Vertragsmechanismen unter Umständen weniger Aufwand, sorgen aber trotzdem für eine bessere Transparenz der Lieferkette.
Dazwischen liegen weitere Möglichkeiten wie die Einbindung von Nachhaltigkeitsmetriken in das Lieferantenaudit-Verfahren oder die Anforderung an die Lieferant:innen, Selbsteinschätzungen einzureichen oder Fragebögen zu beantworten – auch dies kann dazu beitragen, den Zugang zu Finanzierungen für Ihr Unternehmen zu erleichtern und Ineffizienzen in der Lieferkette zu reduzieren.
Ihr Unternehmen hat begrenzte Ressourcen, und Sie müssen bedenken, dass in ähnlicher Weise wahrscheinlich auch ihre Lieferant:innen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen ihrer Kund:innen konfrontiert sind. Dies müssen Sie bei Ihrer Einbindungsstrategie berücksichtigen. Die Kommunikation darüber, wo Effizienzgewinne erzielt werden können und wo Ihre Datenanfragen in bestehende Berichtsprozesse etc. integriert werden können, wird entscheidend für den Erfolg sein.
Gewährleistung einer erfolgreichen Umsetzung
Sollen neue Strategien zur Lieferanteneinbindung umgesetzt werden, brauchen Unternehmen eine Roadmap, welche zusätzliche Ressourcen oder Optimierungen für eine klare Steuerung und Nachverfolgung benötigt werden. Hierzu gehören:
  • Menschen: Eine Steuerungsstruktur für die Lieferanten-Nachhaltigkeit, die Rollen und Zuständigkeiten bei allen internen Stakeholdern festlegt
  • Prozesse: Integration neuer Prozesse in der gesamten Einkaufsorganisation, darunter Kriterien an Lieferant:innen bei Angeboten, Angebotsbewertungen und Vertragsmanagement
  • Technologie: Ein Softwaresystem für das Management der Nachhaltigkeitsleistung, das Compliance und Fortschritt korrekt und automatisch verfolgen kann.
Das hier beschriebene fokussierte Konzept – von der Festlegung der Prioritäten über die Entwicklung konkreter Strategien zur Lieferanteneinbindung bis zur Erstellung einer Roadmap zur Ermittlung von Lücken und nächsten Schritten in den Bereichen Menschen, Prozesse und Technologie – bietet einen gangbaren Weg, um die große und wenig greifbare Idee vom Lieferketten-Nachhaltigkeitsmanagement aufzubrechen und Ressourcen dorthin zu leiten, wo Chancen für Verbesserungen mit hoher Wirkung bestehen.

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  • Mark Romanelli

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