Patrick Moloney

15. Februar 2021

Die Kreislaufwirtschaft: Fünf Schlüsselfaktoren im Jahr 2021

Im Interesse des Klimas und der Ressourcenknappheit nennt unser Nachhaltigkeitsexperte Patrick Moloney fünf wichtige Faktoren für einen schnelleren Übergang zur Kreislaufwirtschaft im Jahr 2021.

Von Patrick Moloney 2021 ist ein Jahr der Erholung und Neuausrichtung. Beides bietet die Möglichkeit, Prozesse zu verändern, ob physisch, mechanisch, gedanklich oder gewohnheitsmäßig. Eine Veränderung unserer Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen als Einzelpersonen, Organisationen und als Gesellschaft bietet die Chance, 2021 zu einem Jahr zu machen, in dem die Kreislaufwirtschaft so richtig in Schwung kommt. Dieser Artikel betrachtet fünf Schlüsselfaktoren, die in diesem Jahr eine wichtige Rolle beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft spielen werden.
Aber warum sollten wir die Geschwindigkeit erhöhen und uns für Veränderungen einsetzen? Nun, das Grundprinzip der Kreislaufwirtschaft beruht auf Logik und bietet zahlreiche Vorteile für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft als Ganzes. So wird der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft beispielsweise dazu beitragen, die Produktivität, Gewinne und Wettbewerbsvorteile zu steigern und gleichzeitig die Beziehungen innerhalb der Wertschöpfungsketten stärken. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass dieser Übergang eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen wird.
Bislang erfolgte die Umstellung nur langsam. Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass unsere Wirtschaft nur zu etwa 9 %1 kreislauforientiert ist. Es wird jedoch erwartet, dass 2021 das Jahr sein wird, in dem der Übergang zur Kreislaufwirtschaft zum Mainstream wird. Ein Jahr, in dem die Kreislaufwirtschaft nicht mehr nur mit Interesse betrachtet wird und am Rande bleibt, sondern ein Jahr, in dem sie in den Mittelpunkt rückt.
Schauen wir uns nun die fünf Faktoren an.
1. Schlüsselfaktor: ISO 14009
Im Dezember 2020 veröffentlichte die globale Normungsorganisation ISO die ISO 14009 „Leitlinien zur Einbeziehung der Kreislaufführung von Materialien bei Design und Entwicklung“. Die Aufnahme der Kreislaufwirtschaft in die ISO ist ein wichtiger Meilenstein für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft und ein bedeutender Schritt für die Zukunft. Die ISO 14009 enthält Leitlinien für Strategien zur Gestaltung des Materialkreislaufs, um die Ziele einer Organisation in Bezug auf ihre Materialeffizienz zu erreichen, und konzentriert sich dabei auf folgende Aspekte:

Drei Fokusbereiche der ISO 14009

  • :
    Art und Menge der Materialien in Produkten
  • :
    Verlängerung der Produktlebensdauer
  • :
    Wiederverwertung von Produkten, Teilen & Materialien
Es wird erwartet, dass diese Leitlinien zu einem effektiven Management des Materialkreislaufs von Produkten und Komponenten beitragen und dadurch Geschäftsrisiken verringern und neue Geschäftsmöglichkeiten schaffen. Diese Leitlinien sind für Organisationen gedacht, die ein UMS (Umweltmanagementsystem) gemäß ISO 14001 nutzen.
Mittlerweile gibt es mehr als 300.000 Zertifizierungen nach ISO 14001 in 171 Ländern der Welt. Das heißt, dass die Kreislaufwirtschaft und der Materialkreislauf nun standardmäßig Teil des Denkprozesses von weltweit mindestens 300.000 Organisationen sind. Dies ist der bisher größte Einzelschritt zur Durchsetzung der Kreislaufwirtschaft.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass eine neue Norm, die ISO 59020 mit dem Titel „Circular economy — Measuring and assessing circularity“ in Arbeit ist. Die Einführung der ISO 59020 im Jahr 2023 wird die Kreislaufwirtschaft noch stärker in der Struktur von Organisationen verankern.
2. Schlüsselfaktor: EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
Die Betrachtung aus EU-Perspektive bringt uns zum nächsten Schlüsselfaktor. Im März 2020 verabschiedete die Europäische Kommission einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft als einen der Hauptbestandteile des EU Green Deal, Europas neuer Agenda für nachhaltiges Wachstum. Dieser Aktionsplan umfasst Initiativen entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten. Er zielt beispielsweise auf deren Design, die Förderung von Prozessen der Kreislaufwirtschaft und die Förderung eines nachhaltigen Konsums ab und verfolgt das Ziel, die verwendeten Ressourcen so lange wie möglich in Umlauf zu halten. Er führt legislative und nicht-legislative Maßnahmen ein, die auf Bereiche abzielen, in denen Maßnahmen auf EU-Ebene einen echten Mehrwert bringen.
Es wird erwartet, dass viele dieser Maßnahmen im Jahr 2021 Realität werden. Im Folgenden finden Sie Beispiele für wichtige Maßnahmen, die für 2021 erwartet werden und ein sehr breites Spektrum abdecken:
Das Recht auf Reparatur: Legislative und nicht-legislative Maßnahmen zur Einführung eines neuen „Rechts auf Reparatur“ Grüne Beschaffung: Verbindliche Kriterien und Ziele für eine umweltorientierte öffentliche Beschaffung (GPP) nach branchenspezifischen Rechtsvorschriften und schrittweise Einführung einer obligatorischen GPP-Berichterstattung Kunststoffe: Obligatorische Anforderungen an den Anteil an recyceltem Kunststoff sowie Maßnahmen zur Reduzierung von Kunststoffabfällen bei wichtigen Produkten wie Verpackungen, Baumaterialien und Fahrzeugen Bebaute Umwelt: Strategie für eine nachhaltig bebaute Umwelt mit spezifischen Richtlinien und Zielen für die Kreislaufwirtschaft
Nichtfinanzielle Berichterstattung: Einbeziehung der Ziele der Kreislaufwirtschaft in die Vorschriften zur nichtfinanziellen Berichterstattung und in Initiativen zur nachhaltigen Unternehmensführung und zur Umweltbilanzierung
Nachdem diese in Kraft treten, sei es durch Vorschriften oder auf andere Weise, wird ihre Einführung den Übergang zur Kreislaufwirtschaft weiter vorantreiben und vor allem im Jahr 2021 erheblich beschleunigen.
3. Schlüsselfaktor: Investitionen in die Kreislaufwirtschaft und Zugang zu Finanzmitteln
Sowohl die Investitionen in die Kreislaufwirtschaft als auch der Zugang zu Finanzmitteln für Produktentwicklung, Start-ups, städtische Initiativen usw. sind von entscheidender Bedeutung für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Dieser dritte Faktor wird manchmal übersehen, aber in den letzten 12 Monaten ließ sich eine Verschiebung von zaghaften Schritten hin zu echten Fortschritten in Bezug auf Investitionen und Finanzierung beobachten.
So hat beispielsweise die Schaffung von Schuld- und Eigenkapitalinstrumenten im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft deutlich zugenommen. Während es 2017 noch keinen solchen Fonds gab, haben führende Anbieter wie BlackRock, Credit Suisse und Goldman Sachs2 bis Mitte 2020 zehn öffentliche Aktienfonds aufgelegt, die sich ganz oder teilweise auf die Kreislaufwirtschaft konzentrieren. Seit 2016 hat sich die Zahl der privaten Marktfonds, einschließlich Risikokapital-, Kapitalbeteiligungs- und Kreditfonds, die in Aktivitäten der Kreislaufwirtschaft investieren, verzehnfacht.
In ähnlicher Weise hat sich die Europäische Investitionsbank mit fünf der größten europäischen Förderbanken und -institutionen zusammengetan, um eine Kredit- und Investitionsinitiative in Höhe von 10 Mrd. EUR für die Kreislaufwirtschaft zu starten.
Seit Anfang 2020 hat sich das Vermögen von Aktienfonds, die sich ausschließlich oder teilweise auf die Kreislaufwirtschaft konzentrieren, versechsfacht – von 0,25 Mrd. auf über 1,7 Mrd. EUR 3.
Es wird erwartet, dass sowohl die Investitionen als auch der Zugang zu Finanzmitteln weiter zunehmen werden. Dieser Anstieg wird noch verstärkt, wenn man bedenkt, dass im Zusammenhang mit COVID-19 einem grünen Aufschwung große Bedeutung beigemessen wird. Die Einführung der EU-Taxonomie-Verordnung zum 1. Januar dieses Jahres unterstreicht die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft noch mehr.
Die EU-Taxonomie-Verordnung wird die meisten europäischen Unternehmen, dazu verpflichten, die ökologische Nachhaltigkeit ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten offenzulegen. Ziel der EU-Taxonomie ist es, die Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigeren Wirtschaft anzukurbeln, indem die Unternehmen angeben, welche ihrer Aktivitäten wie stark zu den Umweltzielen beitragen und für nachhaltige Investitionen in Betracht gezogen werden sollten. Die Taxonomie wird zudem erhebliche Auswirkungen auf Nichtfinanzunternehmen haben, da auch sie sich anpassen müssen.
Die Kreislaufwirtschaft ist eines der sechs Ziele der EU-Taxonomie. Obwohl das für die Kreislaufwirtschaft spezifische Ziel erst ab 2022 verpflichtend ist, wird die Notwendigkeit, die EU-Taxonomie schon im Jahr 2021 in Bezug auf die Klimaziele einzuhalten, Finanzinstitute ebenso wie Unternehmen dazu zwingen, mit der Ausrichtung auf dieses wichtige Ziel zu beginnen.
4. Schlüsselfaktor: Anfälligkeit der globalen Lieferkette
Bereits zu Beginn der Pandemie im Januar 2020 wurden Sorgen um die Einfuhr von Komponenten oder Waren aus bestimmten Ländern laut. Seitdem hat die Belastung der globalen Lieferketten von Monat zu Monat zugenommen, bis hin zum kompletten Zusammenbruch einiger Lieferketten.
Je komplexer die Lieferkette, desto anfälliger ist sie. Dies hat einen Dominoeffekt in Bezug auf die Produktion und die Warenherstellung sowie auf die Flexibilität bei der Umstellung der Produktion ausgelöst.
Darüber hinaus haben die unvorhersehbaren Öffnungen und Schließung von Grenzen und die sich wöchentlich (wenn nicht sogar täglich) ändernde Regierungspolitik zahlreiche Unternehmen dazu gezwungen, ihre Lieferketten im Hinblick darauf zu überdenken, wie international sie diese gestalten wollen. Wie viel Kontrolle wollen Unternehmen beispielsweise über kritische Komponenten oder Materialien haben, oder wie wenig?
In der bisherigen linearen Wirtschaft, in der die Anfälligkeit der Lieferketten durch die COVID-19-Pandemie aufgedeckt wurde, sehen sich Hersteller- und Lieferbetriebe plötzlich gezwungen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken und auf Kreislaufmodelle umzustellen.
Je unvorhersehbarer und teurer die Materialien durch die Unterbrechung der globalen Lieferketten geworden sind, desto größer wurde der Fokus auf innovative Lösungen, die dazu beitragen Materialien in Gebrauch zu halten, ihre Lebensdauer zu verlängern, sie wiederzuverwerten usw. Die Pandemie hat außerdem bewiesen, dass Produktionsprozesse im Notfall viel flexibler sein können als früher angenommen.
Die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Überlebens, die sich aus der Unberechenbarkeit der globalen Lieferketten ergibt, hat einen unvorhergesehenen Übergang zur Kreislaufwirtschaft angeheizt, der in den kommenden Jahren noch erheblich zunehmen dürfte.
5. Schlüsselfaktor: Der Klimawandel
Neben der Bekämpfung von COVID-19 ist der Klimawandel nach wie vor die größte Herausforderung für unseren Planeten. Es wird erwartet, dass er in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft spielen wird.
Wenn wir uns diesen letzten Schlüsselfaktor ansehen, wird deutlich, dass die Treibhausgasemissionen nicht schnell genug sinken, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, und dass sie durch den Umstieg auf erneuerbare Energien nur um 55 % reduziert werden können. Die verbleibenden 45 % der Emissionen stammen aus der Herstellung und Verwendung von Produkten und der Lebensmittelproduktion (die Industrie ist für ca. 20 % der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich, die Lebensmittelproduktion für ca. 25 %).
Die Anwendung der Kernprinzipien der Kreislaufwirtschaft darauf, wie wir Waren und Materialien herstellen sowie Lebensmittel anbauen und produzieren, kann einen erheblichen Einfluss auf die Dekarbonisierung haben.

 Kernprinzipien der Kreislaufwirtschaft

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    Vermeidung von Abfällen und Verschmutzung zur Verringerung der Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette
  • :
    Produkte und Materialien in Gebrauch halten, um die graue Energie zu erhalten
  • :
    Regenerierung natürlicher Systeme zur Bindung von CO2 im Boden und in Produkten
Die Rolle, die die Kreislaufwirtschaft bei der Verringerung der CO₂-Emissionen spielen kann, ist nicht unbedingt neu, der Schwerpunkt wird jedoch durch die Anforderungen der Regulierungsbehörden und Interessengruppen, z. B. an die Industrie, verändert. Großbritannien hat sich beispielsweise verpflichtet, seine Emissionen bis 2030 um mindestens 68 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Dänemark will bis 2030 eine Reduktion um 70 % erreichen und bis 2050 vollständig CO₂-neutral werden.
Je mehr Gewicht auf die Dekarbonisierung gelegt wird, desto mehr Bedeutung wird auch der Suche nach Lösungen zur Erreichung ehrgeiziger Ziele beigemessen. Daraus ergibt sich, dass die Verpflichtung zur Anwendung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft im Jahr 2020 als Mittel zur Dekarbonisierung, zur Verringerung der Emissionen und zur Erfüllung der sich ständig weiterentwickelnden regulatorischen Anforderungen eine größere Rolle spielen wird.
Die Notwendigkeit, in allen Bereichen unserer Wirtschaft und Gesellschaft ehrgeizige Reduktionsziele zu erreichen, rückt die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund, ein Trend, der sich 2021 weiter verstärken dürfte.
Vorwärtskommen im Jahr 2021
Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ist nicht länger ein Übergang mit zaghaften Schritten, sondern einer, der mit Elan ins Jahr 2021 schreitet. Die Vorteile sind schon seit vielen Jahren bekannt, aber jetzt sind auch die nötigen Impulse und Katalysatoren vorhanden, um sie sowohl der Industrie, den Unternehmen und den Städten als auch den Kund:innen und Bürger:innen zugänglich zu machen.
Angesichts der ab 2021 inkrafttretenden regulatorischen Faktoren und Systeme sowie der leichteren Verfügbarkeit von Finanzmitteln und Investitionen, ist es nun an unseren Volkswirtschaften, Unternehmen und Hersteller:innen sowie Städten und Behörden, auf die sich verändernden Faktoren und Katalysatoren zu reagieren.
2021 ist ein Jahr der Erholung, ein Jahr der Neuausrichtung. Aber es ist auch ein Jahr des Fortschritts, in dem der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ein noch nie dagewesenes Tempo erreicht.
Hinweise:
  1. The Circularity Gap Report 2020
  2. Ellen MacArthur -Stiftung
  3. Ellen MacArthur -Stiftung

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  • Patrick Moloney

    Director, Sustainability Consulting

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