Patrick Moloney,Meike Verhey

18. Januar 2021

Die EU-Taxonomie-Verordnung: Fünf Gründe, noch heute mit der Anpassung zu beginnen

Die EU-Taxonomie-Verordnung wird die meisten europäischen Finanzinstitute und Nichtfinanzunternehmen dazu verpflichten, die ökologische Nachhaltigkeit ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten offenzulegen. Mit weniger als einem Jahr Spielraum wird es höchste Zeit, sich anzupassen. Dieser Artikel nennt Ihnen fünf Gründe dafür.

Die Europäische Union hat sich verpflichtet, bis 2050 der erste klimaneutrale Staatenverbund der Welt zu werden. Dies erfordert erhebliche Investitionen nicht nur seitens der EU und der nationalen Behörden, sondern auch des Privatsektors. Der Investitionsplan des Europäischen Green Deal – der Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa – wird öffentliche Investitionen mobilisieren und dazu beitragen, mithilfe von EU-Finanzinstrumenten private Mittel freizugeben, was zu Investitionen von mindestens einer Billion Euro führen dürfte.
Da die ersten Angaben zur EU-Taxonomie Ende 2021 und im Laufe des Jahres 2022 fällig sind und es sich dabei um ein recht komplexes und umfangreiches Regelwerk handelt, ist es von entscheidender Bedeutung, so schnell wie möglich mit der Anpassung daran zu beginnen.
Im Rahmen des EU-Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum, der darauf abzielt, solche Investitionen zu lenken und anzukurbeln, hat die EU-Kommission eine technische Expertengruppe für nachhaltige Finanzen (TEG) eingesetzt, um ein Klassifizierungssystem für wirtschaftliche Aktivitäten zu entwickeln, die zur nachhaltigen Entwicklung beitragen: die EU-Taxonomie.
Die EU-Taxonomie-Verordnung in Kürze
Bevor wir Ihnen unsere fünf Gründe für den Einstieg vorstellen, lassen Sie uns zunächst einen Blick darauf werfen, womit wir es zu tun haben. Die EU-Taxonomie-Verordnung, oder einfach die Taxonomie, ist der erste einheitliche und überzeugende Standard, mit dem sich Wirtschaftsakteure:innen auf den Übergang zu emissionsarmen, resilienten und nachhaltigen Strategien einstellen können. Sie schafft ein gemeinsames Verständnis dafür, welche wirtschaftlichen Aktivitäten EU-weit als ökologisch nachhaltig gelten, schafft Transparenz für Investor:innen, die in nachhaltige Aktivitäten investieren wollen, und hilft dabei, „Greenwashing“ zu verhindern.
Die Taxonomie gilt für zwei verschiedene Parteien: 1) Finanzinstitute, die Finanzprodukte auf dem europäischen Markt anbieten, und 2) Nichtfinanzunternehmen, die bereits gemäß der Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) offenlegen müssen.
Ein gemeinsames Verständnis wird durch ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Aktivitäten geschaffen. Dies geschieht durch die Festlegung von Leistungsschwellen, die in den technischen Screening-Kriterien dargelegt sind, um den Parteien zu helfen, umweltfreundliche Aktivitäten zu identifizieren. Die EU-Taxonomie konzentriert sich auf die im Folgenden dargestellten sechs Umweltziele.

Die EU-Taxonomie konzentriert sich auf diese sechs Umweltziele.

Die technische Expertengruppe ist dabei, die technischen Screening-Kriterien zu entwickeln, um zu beschreiben, welche wirtschaftlichen Aktivitäten zu jedem der sechs Umweltziele beitragen können.
Diese Screening-Kriterien enthalten Metriken und Schwellenwerte für jede einzelne wirtschaftliche Aktivität, um zu definieren, ob sie wesentlich zum jeweiligen Umweltziel beiträgt. Darüber hinaus werden Kriterien festgelegt, die sicherstellen sollen, dass die Aktivität keinem der anderen Ziele erheblich schadet. Damit eine Wirtschaftsaktivität mit der EU-Taxonomie in Einklang stehen kann, muss sie:

Drei Anforderungen, die eine Wirtschaftstätigkeit erfüllen muss, um der EU-Taxonomie zu entsprechen

  • : 1

    Einen wesentlichen Beitrag

    zu mindestens einem der sechs Umweltziele leisten, die in den technischen Screening-Kriterien definiert sind.
  • : 2

    Keine signifikante Beeinträchtigung

    eines der fünf anderen Umweltziele, die in den technischen Screening-Kriterien definiert sind
  • : 3

    Einhaltung von Mindestschutzbestimmungen,

    wie den OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Bisher wurden die technischen Screening-Kriterien für die Umweltziele Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel definiert. Finanzinstitute müssen die neue Verordnung für diese beiden Umweltziele bis Ende 2021 erfüllen, Nichtfinanzunternehmen bis Ende 2022.
Die technischen Screening-Kriterien für die anderen vier Umweltziele werden in der Zwischenzeit festgelegt und alle Arten von Unternehmen müssen diese bis Ende 2022 erfüllen.
Fünf Gründe, noch heute mit der Anpassung zu beginnen
1. Regelkonformität
Die EU-Taxonomie wird für eine beträchtliche Anzahl europäischer Finanzinstitute und Unternehmen verbindlich sein. Alle Anbieter:innen von Finanzprodukten auf dem europäischen Markt und Unternehmen, die unter die Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) fallen, müssen sich daran halten.
Für Finanzinstitute und Nichtfinanzunternehmen gelten unterschiedliche Offenlegungsvorschriften. Ein Finanzinstitut muss offenlegen, inwieweit es die EU-Taxonomie verwendet, zu welchen Umweltzielen seine Investitionen beitragen und wie viel Prozent seiner Investitionen an der EU-Taxonomie ausgerichtet sind.
Nichtfinanzunternehmen müssen ihre Finanzkennzahlen offenlegen, um zu zeigen, dass sie mit der EU-Taxonomie übereinstimmen (dies kann entweder der Umsatz, CAPEX oder OPEX sein), ob und wie sie die sozialen Mindesstandards einhalten und dass sie die Umweltziele nicht wesentlich beeinträchtigen. Dies sollte in einer nichtfinanziellen Erklärung des Unternehmens, in der Jahresberichterstattung oder in einem eigenen Nachhaltigkeitsbericht offengelegt werden.
2. Reputations- und Risikomanagement
Die Taxonomie soll Anleger:innen Transparenz verschaffen und sie vor „Greenwashing“ schützen. Wenn ein Unternehmen seine Ausrichtung an den Screening-Kriterien offenlegt, bedeutet das, dass es detaillierte Informationen über die tatsächlichen Umweltauswirkungen und die nachhaltige Leistung seiner wirtschaftlichen Aktivitäten vorlegt.
Da die EU-Taxonomie Aufschluss darüber geben wird, ob und inwieweit ein Unternehmen zu den Umweltzielen beiträgt, ist es wahrscheinlich, dass die Anpassung an die EU-Taxonomie Auswirkungen auf seinen Ruf haben wird. Wenn ein Finanzinstitut eine hohe Übereinstimmung erreicht, können wir davon ausgehen, dass viele seiner Investitionen und anderen Finanzprodukte zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen, was eine positive Öffentlichkeitswirkung erzeugen wird. Andersherum bedeutet dies natürlich auch, dass das Risiko einer schlechten Presse besteht, wenn ein Finanzinstitut nur eine geringe Übereinstimmung mit der EU-Taxonomie ausweisen kann.
Aber der Ruf eines Geschäfts oder Unternehmens ist sein wertvollstes Kapital. Eine negative Berichterstattung oder öffentliche Wahrnehmung wirkt sich direkt auf die Einnahmen aus, und in einer Welt der Sofortnachrichten und -bilder ist der Ruf wichtiger denn je geworden.
Eine hohe Taxonomie-Konformität für Nichtfinanzunternehmen bedeutet, dass ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen, was ihr Ansehen verbessern wird. Eine verbesserte Reputation wird wahrscheinlich auch mehr Investor:innen anziehen, die nachhaltige Anlagen von normalen Anlagen unterscheiden wollen.
Die Angleichung an die EU-Taxonomie-Verordnung kann auch die Risiken in den Lieferketten der Unternehmen verringern. Eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Kriterien für die Nachhaltigkeit in der gesamten Lieferkette können dazu beitragen, Unterbrechungen und Verzögerungen zu vermeiden und die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette zu erhöhen.
3. Zugang zu Finanzmitteln
Abgesehen davon, dass Unternehmen durch einen guten Ruf Investor:innen anziehen, werden sie auch einen besseren Zugang zu Finanzmitteln haben, wenn sie ihre Ausrichtung an der EU-Taxonomie offenlegen. Finanzinstitute, die ihren Anteil an taxonomiekonformen Investitionen erhöhen möchten, werden in Unternehmen investieren, die taxonomiekonforme Aktivitäten haben und diese öffentlich demonstrieren.
Ob und inwieweit eine wirtschaftliche Aktivität die Taxonomie erfüllt, sollte von dem Unternehmen beurteilt werden, das die wirtschaftliche Aktivität ausübt. Wenn diese Informationen nicht vom Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, müssen Anleger:innen dies mit entsprechendem Mehraufwand selbst beurteilen. Daher wird eine Institution, die nachhaltig investieren möchte, eher Unternehmen auswählen, die die Ausrichtung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten an der EU-Taxonomie offengelegt haben.
Aufgrund des Zeitplans der EU-Taxonomie-Verordnung müssen Finanzinstitute die Verordnung zuerst erfüllen, bevor Nichtfinanzunternehmen an der Reihe sind. Unternehmen, die ihre Aktivitäten freiwillig an der EU-Taxonomie ausrichten, bevor dies verpflichtend wird, werden höchstwahrscheinlich einen Vorreiter-Vorteil haben. Da Finanzinstitute absehen können, dass es ihnen einiges an Bewertungsaufwand erspart, wenn diese Daten bereits vor Inkrafttreten der Verordnung vorliegen, könnten Nichtfinanzunternehmen, die die Anpassung bereits offengelegt haben oder dies bis dahin ankündigen, für Investitionen bevorzugt werden.
4. Bewertung und Kommunikation der nachhaltigen Auswirkungen von Aktivitäten
Durch die Bewertung wirtschaftlicher Aktivitäten anhand der von der Taxonomie vorgesehenen Best Practices erlangen Unternehmen ein besseres Verständnis der nachhaltigen Auswirkungen ihrer Aktivitäten. Diese Bewertung ermöglicht es ihnen sich mit den Best Practices zu vergleichen, um festzustellen, wo mögliche Verbesserungen vorgenommen werden können.
Dies führt nicht nur zu einer besseren Bewertung der Ausrichtung, sondern auch zu besseren Einblicken in ihre Nachhaltigkeitsbemühungen und zu einer besseren Entscheidungsfindung in Richtung nachhaltigerer Maßnahmen.
Um sicherzustellen, dass die technischen Screening-Kriterien immer auf dem neuesten Stand sind und den raschen Veränderungen in Wissenschaft und Technik Rechnung tragen, werden diese Kriterien von der kürzlich von der EU eingesetzten Plattform für nachhaltige Finanzen ständig überprüft. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die für die Bewertung und das Benchmarking verwendeten Kennzahlen auf dem neuesten Stand sind und den neuesten Erkenntnissen über ökologisch nachhaltige Maßnahmen entsprechen.
Der Angleichungsprozess dient sowohl Finanzinstituten als auch Nichtfinanzunternehmen als Mittel der internen Kommunikation innerhalb ihrer Organisationen. Denn eines der größten Hindernisse für den Übergang einer Institution oder eines Unternehmens zu einer nachhaltigeren Organisation sind die Menschen innerhalb der Organisation. Die Auswirkungen, vor allem wenn sie positiv sind, können kommuniziert werden und dazu ermutigen und motivieren, das Engagement aller zu stärken sowie gleichzeitig dazu beitragen, die gesamte Unternehmenskultur entsprechend zu verändern.
5. Resilienz aufbauen
Der Schlüssel zur Zukunftssicherheit eines Geschäfts oder Unternehmens ist der Aufbau von Resilienz. Dadurch, dass die Unternehmen ihre Bereitschaft zur Anpassung zeigen, können Unsicherheiten ausgeräumt werden, was den Gesamtwert des Unternehmens, d. h. seiner Aktien und Anleihen, erhöhen kann. Durch die Ausrichtung an der EU-Taxonomie-Verordnung können Unternehmen potenzielle Gefahren identifizieren, ihre Gefährdung durch diese messen und ihre allgemeine Anfälligkeit einschätzen.
Proaktives Handeln in Bezug auf die Anpassung kann Unternehmen dabei helfen, sicherzustellen, dass z. B. der Klimawandel bestimmte Unternehmensziele nicht untergräbt. Die Angleichung wird auch dazu beitragen, dass Unternehmensinitiativen oder -programme nicht ungewollt die Anfälligkeit für bestimmte Gefahren erhöhen. Die Angleichung kann zudem Chancen bieten, um die künftige Entwicklung und Programme widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und die damit verbundenen Risiken zu machen, und dafür sorgen, dass diese Chancen erkannt und tatsächlich genutzt werden.
Widerstandsfähigkeit ist der Schlüssel dazu, dass ein Unternehmen oder eine Organisation proaktive, zukunftsorientierte Schritte unternehmen kann, um nachhaltige Verhaltensweisen zu entwickeln. Die Anpassung an die Taxonomie wird Unternehmen dabei helfen, ihre Resilienz zu verbessern und so das Vertrauen aller Stakeholder zu stärken.
Chancen ergreifen – über die Einhaltung von Vorschriften hinausgehen
Nachdem wir Ihnen die fünf Gründe für die Ausrichtung näher gebracht haben, möchten wir, dass Sie wieder herauszoomen. Denn da gibt es noch etwas, bevor wir zum Schluss kommen: Die EU-Taxonomie-Verordnung nur unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung von Vorschriften zu betrachten, wird sowohl Finanzinstitute als auch die anderen betroffenen Unternehmen daran hindern, das wahre Wertpotenzial des EU Green Deals und des nachhaltigen Wandels im weiteren Sinne zu erkennen.
Die Nutzung der EU-Taxonomie-Verordnung bietet den Finanzinstituten neben der Einhaltung der Verordnung auch ein schwankungsresistenteres Anlageportfolio, das der für uns alle anzustrebenden Zukunft besser gerecht wird.
Sie bietet Firmen und Unternehmen die Möglichkeit, sich als Vorreiter im Bereich der Nachhaltigkeit zu profilieren. Außerdem sind wir der Meinung, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist, diese Chance zu nutzen, die die Widerstandsfähigkeit stärkt, den Ruf verbessert, die Mitarbeitenden inspiriert, Kunden:innen anzieht und nicht zuletzt auch den Gesamtwert der Aktie erhöht.
Daher möchten wir sowohl Finanzinstitute als auch Nichtfinanzunternehmen ermutigen, proaktiv auf die Anpassung und Einhaltung der Vorschriften zu achten, die EU-Taxonomie-Verordnung aber auch zu nutzen, um ihren Wandel hin zu nachhaltigeren Geschäftsprozessen voranzutreiben.

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  • Patrick Moloney

    Director, Sustainability Consulting

    +45 51 61 66 46

  • Meike Verhey

    Senior Consultant, Strategic Sustainability Consulting Ramboll Management Consulting

    +45 51 61 04 95

    Meike Verhey