Signe Kongebro, Robert Joseph Martin, Simon Madsen
2. September 2025
Die Stadt der Zukunft erfordert einen mutigen neuen Ansatz
Stadtplanung ist der Ort, an dem Energie, Mobilität und Menschen aufeinandertreffen – und an dem mutige Entscheidungen einen Wandel von nationaler Tragweite bewirken können. Das Fælledby-Projekt in Kopenhagen zeigt, wie ehrgeizige Planung heute die widerstandsfähigen Städte von morgen gestalten kann.
Bei der Planung neuer Städte und Stadtviertel werden die entscheidenden Weichen oft gestellt, noch bevor der erste Holzbalken verlegt wird. Es erfordert Mut, von Beginn an ehrgeizige Werte wie geteilte Mobilität, Bürgerbeteiligung, weniger Privatfahrzeuge sowie geringeren Energie- und Materialverbrauch zu verankern.
Wenn Städte von Anfang an nach diesen Leitprinzipien gestaltet werden, eröffnet dies das Potenzial für starke Partnerschaften und innovative Lösungen. Obwohl es traditionell außerhalb des Einflussbereichs lokaler Stadtentwicklung lag, den Energie- und Verkehrssektor herauszufordern, kann mutiges Stadt-Design genau das leisten: Grenzen verschieben und Veränderungen auf nationaler Ebene inspirieren.
Das Fælledby-Projekt in Kopenhagen zeigt, dass dieses Modell funktioniert. Die früh getroffenen Planungsentscheidungen ebneten den Weg für Partnerschaften, Investitionen und technologische Innovationen, die heute Ergebnisse liefern, die niemand hätte vorhersehen können – ermöglicht durch den ursprünglichen Planungsrahmen des Projekts.
Herausforderung Stadtentwicklung: Energieverbrauch und Emissionen
Die Bauindustrie steht unter starkem Druck, Emissionen zu reduzieren, nicht nur durch bessere Materialien, sondern auch durch eine bessere Koordinierung mit dem Energie- und Verkehrssektor.
Laut dem Statusbericht 2025 des dänischen Rates für Klimawandel ist der Verkehr die zweitgrößte Quelle von CO₂-Emissionen in Dänemark, und sein Anteil wächst, da andere Sektoren sich schneller umstellen. Selbst wenn mehr Elektrofahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, werden bis 2030 voraussichtlich immer noch 64 % der Energie im Verkehr aus fossilen Brennstoffen stammen. In Kopenhagen nimmt der private Autobesitz trotz massiver öffentlicher Investitionen in U-Bahnlinien und öffentliche Verkehrsmittel weiter zu.
Das langfristige Ziel Dänemarks besteht darin, bis 2050 100 % der nationalen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Der Ausbau von Solar- und Windenergie bringt jedoch neue Schwierigkeiten bei der Regulierung, Speicherung und Verteilung von Energie in städtischen und ländlichen Gebieten mit sich.
Mit anderen Worten: Der technologische Fortschritt droht verwässert zu werden, wenn wir in ineffizienten Mobilitätsmustern und veralteten Energiesystemen verharren. Die Lösung liegt nicht nur in mehr Technik, sondern auch in einer intelligenteren Stadtgestaltung. Die Städte müssen Energie, Verkehr, Raumplanung und die sie umgebenden Gemeinden in eine einzige, kohärente Strategie integrieren.
"Selbst die intelligentesten Systeme brauchen Menschen, um zu funktionieren. Deshalb geht es nicht nur um den Bau von Infrastruktur, sondern auch um den Aufbau von Gemeinschaft."
Ein neues Modell für die Stadt der Zukunft
Fælledby ist ein praktisches Beispiel dafür, wie dieser Ansatz gelingen kann. Das Projekt war von Anfang an so angelegt, dass Radfahrer:innen und Fußgänger:innen Vorrang hatten. Noch vor der behördlichen Genehmigung wurde ein klarer Werterahmen festgelegt, bei dem kreisförmiges Design, eine Sharing Economy und eine ehrgeizige Materialstrategie im Vordergrund standen. Mit einer Fläche von 220.000 m² ist es der erste groß angelegte Stadtteil in Dänemark, der hauptsächlich mit biobasierten Baumaterialien gebaut wurde.
Jahre später haben diese frühen Entscheidungen bewiesen, dass sie gleichgesinnte Partner und Lieferanten mit starken Ambitionen für eine umweltfreundliche Stadtentwicklung anziehen. Gemeinsam haben sie Lösungen entwickelt, die sogar noch weiter gehen als die ursprüngliche Vision. Zum Beispiel:
- Lokale Energieerzeugung und gemeinsame Nutzung: Alle Dächer des Viertels werden mit integrierten Sonnenkollektoren ausgestattet, die in einer lokalen Energiegemeinschaft verbunden sind. Die Energie wird in Batterien gespeichert, zwischen den Bewohner:innen gehandelt und geteilt und bei Bedarf wieder an das Netz verkauft. Öffentliche Einrichtungen und Anbieter von Sozialwohnungen können im Rahmen eines kooperativen Verwaltungsmodells als Mitglieder beitreten.
- Vollelektrische Carsharing-Infrastruktur: Anstelle von herkömmlichen Parkplätzen stellt der Bezirk ausschließlich Flächen für gemeinsam genutzte Elektrofahrzeuge zur Verfügung. Das Carsharing-Angebot wurde gestartet, bevor eine kritische Masse an Bewohner:innen vorhanden war, so dass die ersten Nutzer:innen den Ton angeben und zu Botschaftern einer umweltfreundlichen Mobilität werden konnten. Die Initiative basiert auf verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen, die zeigen, dass Menschen bei Veränderungen ihres Lebensstils, z. B. beim Umzug in eine neue Wohnung, offener sind. Um die Initiative durchführbar zu machen, erhielt Fælledby erhebliche Innovationsmittel von der dänischen Verkehrsbehörde.
Jede Initiative ist in sektorübergreifende Partnerschaften eingebettet - von Energieversorgern und Technologie-Start-ups bis hin zu Mobilitätsanbietern und Designberatern -, die das Projekt bis zur Berichterstattung, Bewertung und eventuellen Skalierung begleiten.
Strategische Partnerschaften: Der Schlüssel zu Innovation und Finanzierung
Die Verwirklichung dieser Vision erfordert mutige Investitionen in sektorübergreifende Zusammenarbeit. Der Ansatz von Fælledby umfasst:
Fachwissen von führenden Berater:innen in den Bereichen Energie, Mobilität und Design, um sicherzustellen, dass die Initiativen mit neuen Trends und Technologien übereinstimmen. Die Expert:innen halfen Fælledby beispielsweise dabei, als erster Standort in Dänemark einen Super Smart Charging Hub (SSCH) zu planen, der Solarenergie, Batteriespeicher und Vehicle-to-Grid (V2G)-Technologie integriert.
Gemeinsame Finanzierungsstrategien unter Beteiligung von Akteuren wie der Stadt Kopenhagen und Energietechnologieanbietern. Dies hat die nationale Unterstützung durch die dänische Verkehrs- und Energiebehörde freigesetzt und den Weg für eine Finanzierung auf EU-Ebene durch Programme wie "Interweave" (Energie) und "Reimagine" (Mobilität) geebnet.
Gemeinsame Verantwortung für die Ergebnisse, so dass die wichtigsten Erkenntnisse sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor verbreitet werden und die Wirkung über das eigentliche Projekt hinaus verstärkt wird.
Die lokale Gemeinschaft als Motor des Wandels
Selbst die intelligentesten Systeme sind auf Menschen angewiesen, die sie zum Leben erwecken. Deshalb reicht es nicht aus, eine Infrastruktur zu bauen - wir müssen auch eine Gemeinschaft aufbauen.
In Fælledby werden die künftigen Bewohner:innen als aktive Mitwirkende betrachtet. Die ersten 200 der 2.000 neuen Haushalte haben bereits an Veranstaltungen, Umfragen und Workshops teilgenommen, um mitzugestalten, wie Mobilität und Energiedienstleistungen erbracht werden. Statt sich auf vergangenes Verhalten zu verlassen, werden die Erwartungen der Menschen für die Zukunft erforscht und mit ihrem Wunsch nach einem einfacheren, klimabewussten Lebensstil in Einklang gebracht.
Natürlich ziehen Fælledbys Werte und Erzählungen Einwohner:innen, Unternehmen und Partner an, die sich bereits mit dieser Mission identifizieren. Das wiederum stärkt die Dynamik des Projekts und verleiht ihm Glaubwürdigkeit, nicht nur bei den Bewohner:innen, sondern in der gesamten Lieferkette.
So entsteht Kultur, nicht durch Regeln oder Systeme allein, sondern durch Menschen, die sich die Vision zu eigen machen. Letztendlich gibt es eine gerade Linie von den in der Entwurfsphase vorgeschlagenen Werten und Gestaltungsparametern zu den Entscheidungen und Vorlieben der Bewohner:innen von Fælledby.
So verwirklichen wir die Vision
Um Städte so zu gestalten, dass sie den grünen Wandel beschleunigen, müssen wir bereit sein, die Art und Weise, wie wir planen, investieren und zusammenarbeiten, zu überdenken und dabei sowohl die Menschen als auch die Systeme in den Mittelpunkt zu stellen. Drei Voraussetzungen sind dafür unerlässlich:
- Sektorenübergreifende Zusammenarbeit: Stadtplaner, Architekten, Ingenieure, Mobilitätsanbieter und Energieversorger müssen vom ersten Tag an zusammenarbeiten. In der Praxis erfordert dies häufig, dass der Projekteigentümer die Führung übernimmt, um die kommerziellen Interessen mit dem langfristigen öffentlichen Nutzen in Einklang zu bringen.
- Neue Investitionsmodelle und frühzeitige Risikobereitschaft: Innovation beginnt oft, bevor sich eine Lösung in großem Maßstab bewährt hat. Fælledby zeigt, dass neue Standards entstehen können, wenn sowohl öffentliche als auch private Akteure frühzeitig in Pilotprojekte investieren. Dies hängt jedoch von frühzeitigen Designentscheidungen und einer klaren Geschichte ab, die Partner zum Mitmachen inspiriert, noch bevor der Gewinn sicher ist.
- Eine Regulierung, die mit der Innovation Schritt hält. Viele der erforderlichen Technologien sind bereits vorhanden; was fehlt, ist eine Regulierung, die es ihnen ermöglicht, sich zu entfalten. Fælledby zeigt, dass Lösungen wie V2G und Energiegemeinschaften sowohl realisierbar als auch gefragt sind. Jetzt muss der rechtliche Rahmen nachziehen.
Die Städte von morgen müssen nicht nur dem Wandel standhalten, sie müssen auch Katalysatoren für ihn sein. Wenn die Stadtgestaltung von Anfang an Energie, Mobilität, Gemeinschaft und Werte zusammenbringt, legt sie das stärkste Fundament für eine blühende, klimabewusste Zukunft. Es beweist, dass die Zukunft nicht etwas ist, worauf wir warten - sie ist etwas, das wir mit dem Anspruch und der Hoffnung auf einen echten Wandel gestalten.
Über Fælledby:
Fælledby ist Kopenhagens erstes ganz aus Holz bestehendes Viertel, das einen Maßstab dafür setzt, wie moderne Gemeinschaften in Harmonie mit der Natur leben können. Das von Henning Larsen entworfene Projekt stellt die Stadtentwicklung durch eine enge Beziehung zur Landschaft neu vor und schafft ökologisch angepasste Wohneinheiten, die nach dem Modell des "ländlichen Dorfes" organisiert sind.
Die Autoren:
Signe Kongebro, Global Director, Future Resilient Design, Ramboll
Robert Joseph Martin, Partner, Betamobility
Simon Madsen, Kommunikationsmanager, FaelledBy
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Signe Kongebro
Global Design Director, Urbanism – Henning Larsen