Ove Dahl Kristensen
18. Mai 2025
Die Regeln des Eisenbahnmarktes neu schreiben: Lehren aus 11 Wegen zur Liberalisierung
Der Schienenverkehr steht im Zentrum der europäischen Mobilitätswende – und damit auch im Fokus regulatorischer Herausforderungen. Mit steigender Nachfrage und verschärften Klimazielen wächst der Druck auf Regierungen, Strukturen, Finanzierung und Betrieb der Bahn neu zu ordnen. Doch hinter den EU-Richtlinien verbirgt sich eine komplexere Realität: Jeder Markt ist einzigartig, und Liberalisierung folgt keinem Copy-and-paste-Schema.
Diese Problemstellung bildete die Grundlage einer Benchmarking-Studie, die das finnische Verkehrsministerium bei Ramboll in Auftrag gegeben hat. Unter der Leitung von Ove Dahl Kristensen, Senior Consultant für Zugbetrieb, Planung und Management, wurden elf europäische Länder untersucht – mit dem Ziel, praxisnahe Lehren für künftige Reformprozesse zu ziehen.
Es gibt den Mythos, dass Liberalisierung bedeutet, loszulassen. Tatsächlich geht es darum, die Spielregeln so neu zu gestalten, dass Fahrgäste besser bedient werden.
Ein Markt, viele Modelle
Das Vierte Eisenbahnpaket der EU verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Marktöffnung. Wie diese umgesetzt wird, unterscheidet sich jedoch deutlich:
- Schweden setzt auf offenen Zugang im Personenverkehr und hat so einen der wettbewerbsintensivsten Intercity-Märkte Europas geschaffen.
- Deutschland nutzt vor allem regionale Ausschreibungen und Bruttokostenverträge, um Wettbewerb und öffentliche Steuerung in Balance zu halten.
- Frankreich öffnet sein Netz schrittweise, wobei der staatliche Betreiber weiterhin den Großteil des Marktes dominiert.
Die Beispiele zeigen: Liberalisierung ist immer auch eine Frage des nationalen Kontexts – von Marktgröße über Geografie bis zu politischem Willen.
Wichtige Lehren für eine intelligentere Marktgestaltung
Die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse bieten Einsichten für jede Regierung, die ein Gleichgewicht zwischen Marktöffnung und öffentlichem Nutzen anstrebt:
- Anpassung der Liberalisierung an die nationale Geografie und die politischen Ziele - es gibt kein einheitliches "EU-Modell".
- Konzentrieren Sie sich auf Vertragsgestaltung und Rechenschaftspflicht - Anreize sind wichtiger als Ideologie.
- Vernachlässigen Sie nicht die Rolle der öffentlichen Betreiber - Reform bedeutet nicht gleich Abschaffung.
- Investitionen in Kapazitäten, Daten und Regulierungsinstrumente - die Liberalisierung erfordert eine kontinuierliche Betreuung.
Diese Lehren sind besonders für kleinere Märkte relevant, auf denen ein uneingeschränkter offener Zugang möglicherweise keinen wirksamen Wettbewerb ermöglicht, auf denen aber durch intelligentes Contracting dennoch Effizienz und Qualität erreicht werden können.
Vom Benchmarking zur Strategie: Das Gesamtbild verstehen
Der Report unterstreicht, wie wichtig es ist, mehrere Perspektiven zusammenzubringen: das Verständnis für die technische Komplexität des Bahnbetriebs, die Erwartungen der Fahrgäste sowie die Governance und politischen Realitäten, die die nationalen Verkehrssysteme prägen.
Liberalisierungsbemühungen, die sich nicht mit allen drei Dimensionen befassen, laufen Gefahr, entweder zu eng gefasst zu sein, um effektiv zu sein, oder zu starr, um umgesetzt zu werden.
Das größere Bild: Eine sinnvolle Reform
Die Liberalisierung ist keine rein wirtschaftliche oder rechtliche Angelegenheit. Es geht um den öffentlichen Zweck – darum, sicherzustellen, dass die Schiene in einer sich schnell verändernden Welt weiterhin ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bietet.
Eine gut durchdachte Reform kann die Voraussetzungen dafür schaffen.
- Bessere Leistung durch intelligentere Anreize
- Mehr Innovation durch Lieferantenvielfalt
- Größere Widerstandsfähigkeit durch Systemverantwortung
- Mehr Vertrauen durch öffentlichen Wert und Transparenz
"Wir steuern nicht nur Züge – wir steuern Vertrauen in das System. Genau darauf bauen Fahrgäste, Betreiber und Politik. Liberalisierung heißt nicht, einen Schritt zurückzutreten. Sie bedeutet, einen Schritt nach vorn zu gehen – mit klaren Erwartungen, starken Instrumenten und einem klaren Verständnis für die Rolle des öffentlichen Verkehrs."
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Ove Dahl Kristensen
Senior ingeniør
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