Eva Ravn Nielsen

31. August 2021

Bühne frei für Wasserstoff und Elektrokraftstoffe

Die Umstellung auf grünen Wasserstoff und Elektrokraftstoffe kommt gerade in Schwung und diese Energien werden ab 2030 dominieren. Die Power-to-X-Expertin von Ramboll, Eva Ravn Nielsen, befasst sich mit den Speicher- und Produktions-sowie den Einsatzmöglichkeiten.

Hydrogen renewable energy production - hydrogen gas for clean electricity solar and windturbine facility, 3d rendering
Am 14. Juni 2021 wurden die Pläne für den Beginn des Übergangs von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien für die gesamte Schifffahrt im Ostseeraum bekannt gegeben. Diese neuen Kraftstoffe können grünes Ammoniak, Methanol oder Wasserstoff sein, die durch Wasserelektrolyse aus Windenergie hergestellt werden. Das spezifische Projekt Bornholm Bunker Hub zielt darauf ab, die Infrastruktur für Lagerung und Bunkern von Treibstoff zu schaffen, Schiffe für den Betrieb mit den neuen Treibstoffen umzurüsten und die Treibstoffversorgung entweder durch lokale Produktion oder aus externen Quellen sicherzustellen.
Dieses Projekt ist recht typisch für ein grünes Wasserstoffprojekt, da es neue Speicheranlagen und Lösungen für Wasserstoff oder Ammoniak in großem Maßstab (zentralisiert) im Hafen, sowie in kleinerem Maßstab (lokal als Teil der Ausrüstung) in Form von Kraftstofftanks an Bord der Schiffe erfordert.
Power-to-X und E-Kraftstoffe
Die Bemühungen um die Begrenzung der globalen Erwärmung erfordern eine Dekarbonisierung und neue Technologien in vielen Sektoren. Fossile Brennstoffe werden dazu durch erneuerbare Energien wie Wind-, Sonnen- und Wasserkraft ersetzt. Beim Heizen im Haushalt kann solcher Strom direkt genutzt werden, z.B. in Wärmepumpen, die Strom mit hoher Effizienz in Wärme umwandeln. Auch der Großteil des Personenverkehrs kann relativ einfach von fossil betriebenen auf Elektrofahrzeuge umgestellt werden.
Doch manche Sektoren lassen sich nicht so einfach elektrifizieren. Wo große Energiemengen benötigt werden, reichen Batterien für die Speicherung und den Transport der Energie nicht aus. Schwerlasttransporte sowie die Schiff- und die Luftfahrt benötigen alle einen flüssigen oder gasförmigen Kraftstoff, da Batterien aufgrund ihres Gewichts für diese Anwendungen nicht geeignet sind. Für diese Anwendungen werden grüner Wasserstoff, grünes Ammoniak und andere E-Treibstoffe die Lösung sein.
Die neuen grünen Kraftstoffe werden in der Regel durch Elektrolyse hergestellt, bei der Strom durch Elektrolyse aus Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt wird. Wenn der Strom dazu aus einer erneuerbaren Quelle stammt, sprechen wir von grünem Wasserstoff. Der Wasserstoff kann direkt verwendet werden oder er kann chemisch snythetisiert werden, um andere Stoffe wie Methan (synthetisches Erdgas), Methanol (ein flüssiger Energieträger, der als Kraftstoff oder Ausgangsstoff für weitere industrielle Prozesse verwendet werden kann), Ammoniak und Düsentreibstoff herzustellen. Diese Technologien werden weithin als Power-to-X, also Strom-zu-X bezeichnet werden, wobei X für die produzierte Substanz steht. Diese Kraftstoffe werden oft als Elektrokraftstoffe oder einfach als E-Kraftstoffe bezeichnet, was darauf hinweist, dass sie aus erneuerbarer elektrischer Energie stammen und sich so von den fossilen Kraftstoffen unterscheiden.
Aufrüstung neuer Technologien
Als globales Ingenieursberatungsunternehmen unterstützt Ramboll Energieunternehmen und Infrastruktureigentümer bei Demonstrationsprojekten zur Aufrüstung von Power-to-X-Technologien. Elektrolysanlagen befinden sich derzeit in der Regel im Megawatt-Maßstab im Test und zielen noch vor 2030 auf 100 MW- oder sogar Gigawatt-Größe ab. Um einen Anhaltspunkt für das Produktionsvolumen zu geben, produziert eine 1 MW-Elektrolyseeinheit ca. 20 kg Wasserstoff oder 220 Nm3 pro Stunde.
Unterirdische Wasserstoffspeicherung
Der Einsatz von Wasserstoff als wichtiger Energieträger in einem nationalen Energiesystem erfordert eine neue Infrastruktur und eine Wasserstoffspeicherung mit großer Kapazität. Eine einzigartige Möglichkeit zur kostengünstigen, groß angelegten und flexiblen Speicherung von Wasserstoff bieten natürliche Salzkavernen oder Grundwasserspeicher. Das Wasserstoff-Speicherpotenzial in Salzlagerstätten und Salzstöcken in Europa wird als beträchtlich eingeschätzt (>100 PWh) und ist breit über mehrere EU-Länder verteilt. Die Wasserstoffspeicherung in Salzkavernen könnte außerdem der schnellste Weg zur Realisierung einer großen Speicherkapazität für die schnell wachsende europäische Wasserstoffwirtschaft sein.
CO2-Abscheidung und -Nutzung durch Elektrolyse
In einem mit Biomasse befeuerten Kraftwerk laufen die Vorbereitungen für die Produktion von E-Treibstoffen aus allen erneuerbaren Quellen. Für einen kohlenstoffhaltigen Brennstoff ist eine biogene CO2-Quelle erforderlich. Daher läuft die Arbeit an der CO2-Abscheidung aus dem Rauchgas der Anlage. Parallel dazu soll ein Elektrolyseur grünen Wasserstoff aus Wasser herstellen. Und schließlich werden das CO2 und der Wasserstoff zu einem grünen E-Treibstoff synthetisiert, der im Verkehr eingesetzt werden kann. Die Aktivitäten umfassten den technischen Entwurf, die Risikobewertung sowie die Genehmigungs- und die Kaufdokumente, die das Projekt zur endgültigen Investitionsentscheidung bereit machten.

„Wasserstoff ist kein Allheilmittel für die zukünftigen Herausforderungen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung und einer ausreichenden Reduzierung der CO2-Emissionen. Die direkte Elektrifizierung wird eine Hauptlösung für die Dekarbonisierung sein, aber grüner Wasserstoff und E-Treibstoffe werden ab 2030 zur Hauptlösung für die schwer zu elektrifizierenden Sektoren aufsteigen.“

EVA RAVN NIELSEN
Chief advisor

Infrastruktur für Wasserstoff und Umnutzung bestehender Pipelines
Damit der Wasserstoff bei den Bemühungen der EU um die Dekarbonisierung eine Schlüsselrolle spielen kann, muss er auf dem gesamten Kontinent so preiswert wie möglich verfügbar gemacht werden. Dabei sind die Transportkosten für Wasserstoff eine der größten Herausforderungen. Da gibt es zwei Optionen: Entweder wird die Wasserstoffproduktion stark dezentralisiert oder es sind erhebliche Investitionen in die Pipeline-Infrastruktur erforderlich.
Es wurden Konzeptstudien durchgeführt und Strategien für Gasfernleitungsnetzbetreiber erarbeitet.
Es wird notwendig, lokale Wasserstoffproduktionsanlagen mit den Abnehmern eines gesonderten Wasserstoffnetzes zu verbinden, das Skandinavien, Deutschland und die Niederlande mit dem Rest Europas verbindet. Dieses Netz muss entweder komplett neu errichtet oder bestehende Gaspipelines können umgenutzt werden. Zu den Abnehmern des Wasserstoffs werden Wasserstofftankstellen zählen, insbesondere für Schwerfahrzeuge wie LKW und Busse, aber auch die Industrie wird den über dieses Verbindungsnetz bereitgestellten grünen Wasserstoffs abnehmen.
Energieinseln
Dänemark wird die ersten Energieinseln der Welt errichten und damit eine neue Ära der Offshore-Windenergie einläuten. Bis 2030 sollen zwei Energieinseln fertiggestellt werden, die 5 GW Strom liefern können.
Dieser Plan sieht die Errichtung einer künstlichen Insel in der Nordsee vor, die als Standort für Offshore-Windparks dienen soll, deren Nennleistung von 3 GW langfristig auf 10 GW erweitert werden kann. In der Ostsee wurde Bornholm als Energieinsel auserkoren. Die elektrotechnischen Anlagen auf der Insel werden als Anschlussstelle für die Offshore-Windparks vor der Inselküste dienen und 2 GW Energie liefern. An beiden Orten wird auch das Potenzial zur Produktion von Wasserstoff oder Ammoniak einbezogen. Sogar das Bunkern von Schiffen an der künstlichen Insel in der Nordsee könnte in Betracht gezogen werden, wodurch sowohl die Produktion als auch die Verschiffung von der Küste weg verlagert würden.
Gegenwärtig stehen noch die Entwicklung von Konzepten und die Analysen verschiedener Bereiche im Vordergrund. Zur Kostenverringerung ist es von großer Bedeutung, die Stromleitung per Kabel zum Festland zu reduzieren. Außerdem könnten die Power-to-X-Kraftwerke die Funktion bekommen, das ständig schwankende Angebot der erneuerbaren Energien auszugleichen. Die den Wasserstoff produzierenden Elektrolyseure können in Betrieb genommen werden, wenn ein Stromüberschuss besteht, und abgeschaltet werden, wenn der gesamte produzierte Strom in den Verbrauch fließen soll. Dies kann den Geschäftsnutzen der Wasserstoffproduktion verbessern, da dort die Stromkosten einen großen Anteil an den Produktionskosten haben und die Schwankungen von Angebot und Nachfrage nach Strom zu schwankenden Strompreisen führen.
Aufwertung von Biogas zu grünem Erdgas
Erdgas besteht hauptsächlich aus Methan, CH4. Die Erdgasnetze sind derzeit noch mit fossilen Brennstoffen gefüllt. Die Dekarbonisierung erfordert in Zukunft grünes oder sogenanntes synthetisches Erdgas. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, grünes Erdgas zu produzieren. Eine Methode ist, Biogas zu nehmen und es zu verbessern. Biogas enthält in der Regel 60 % Methan und 40 % CO2. Der Methananteil kann direkt in das Gasnetz eingespeist werden (nach Abtrennung des CO2). Dieses CO2 wird dann zu einer wichtigen Quelle für biogenen Kohlenstoff und kann durch Reaktion mit Wasserstoff aus der Wasserelektrolyse ebenfalls in Methan umgewandelt werden.
Das Potenzial für die Aufwertung von Biogas und die Umrüstung von Pipelines von schwarz auf grün wird gerade analysiert.
Grünes Ammoniak für die Landwirtschaft
Ammoniak gibt derzeit mehr als 1 % der weltweiten Treibhausgasemissionen frei. Ammoniak wird hauptsächlich in landwirtschaftlichen Düngemitteln verwendet. Derzeit wird es aus Wasserstoff aus fossilem Erdgas in einem Prozess namens Methandampfreformierung hergestellt. Das Potenzial für die Dekarbonisierung dieses Sektors ist daher enorm, indem der graue Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen durch grünen Wasserstoff auf der Basis erneuerbarer Energien und Elektrolyse ersetzt wird.
Neben der Verwendung von Ammoniak in der Landwirtschaft soll es auch zum wichtigsten Treibstoff für Hochseeschiffe werden. Es wird daher erwartet, dass sich die Produktion von Ammoniak vervielfachen wird.
Voraussicht einer großen Expansion
Es ist mit einem starken Zuwachs an grünen Kraftstoffen auf der Basis erneuerbarer Energien und Elektrolyseurtechnologie zu rechnen. Die EU hat eine Offshore-Strategie für erneuerbare Energien erstellt, die darauf abzielt, die Offshore-Windkraftproduktion von heute 12 GW auf mehr als 60 GW im Jahr 2030 und bis zu 300 GW im Jahr 2050 zu steigern. Der größte Anteil davon davon wird als Strom direkt in die allgemeine Stromversorgung fließen, aber ein nicht unerheblicher Teil wird in Power-to-X-Prozessen umgewandelt werden.
Darüber hinaus hat die EU eine Wasserstoffstrategie ins Leben gerufen, die bis 2024 6 GW und bis 2030 80 GW Elektrolyseleistung zum Ziel hat. Die Hälfte davon ist in EU-Ländern geplant, die andere Hälfte in EU-Nachbarländern.
Damit die Investitionen und die Umsetzung jedoch agil und bald anlaufen können, muss der künftige Rechtsrahmen erstellt werden. Klarheit über künftige Stromtarife oder die CO2-Besteuerung konkurrierender Technologien ist ein Muss, bevor über große Investitionen in Anlagen im Gigawattbereich entschieden werden kann.
Wasserstoff ist kein Allheilmittel für die zukünftigen Herausforderungen im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung und einer ausreichenden Reduzierung der CO2-Emissionen. Die direkte Elektrifizierung wird eine Hauptlösung für die Dekarbonisierung sein, aber grüner Wasserstoff und E-Treibstoffe werden ab 2030 zur Hauptlösung für die schwer zu elektrifizierenden Sektoren aufsteigen.
Ramboll bei der COP26
Ramboll nimmt an der COP26 teil und teilt dort seine Erkenntnisse, um Regierungen und Unternehmen dabei zu unterstützen, Klimamaßnahmen zur Dekarbonisierung, Anpassung an den Klimawandel und zur Förderung eines nachhaltigen Wandels zu ergreifen.
Erfahren Sie mehr über die Teilnahme von Ramboll an der COP26 und den damit verbundenen Veranstaltungen in Glasgow, und finden Sie heraus, wo Sie Ramboll auf der COP26 treffen können.

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  • Eva Ravn Nielsen

    Senior chief advisor

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