Susanne Wellington Hansen

9. Juli 2025

Fernwärme: Der Baustein für Deutschlands Energieunabhängigkeit

Der Übergang zu einer widerstandsfähigen und dekarbonisierten Wärmeversorgung in Deutschland ist mit Kosten von mehr als 40 Milliarden Euro verbunden. Eine lohnende Investition: Importierte fossile Brennstoffe werden durch Fernwärmesysteme ersetzt, die mit lokal gewonnenen erneuerbaren Energien betrieben werden. So wird die Energieunabhängigkeit gestärkt.

Black insulated district heating pipe laying on a construction site

Die Resilienz von Städten hängt zunehmend davon ab, ob sie unabhängig von importierten fossilen Brennstoffen agieren und stattdessen auf lokale erneuerbare Ressourcen zurückgreifen können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Situation, die von Konflikten in Europa und im Nahen Osten geprägt ist und in der die Politik in den USA und der EU nur zögerlich Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreift.

Im Gegensatz dazu zielt die ehrgeizige Fernwärmestrategie Deutschlands nicht nur auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen ab, sondern unterstreicht auch die Bedeutung der Energieunabhängigkeit.

Wärmeplanung ist ein Muss

Das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % zu senken, ist eng mit der Fernwärme verbunden. Laut dem Wärmeplanungsgesetz (WPG) von 2024 sind Kommunen dazu verpflichtet, umfassende Wärmepläne zu entwickeln. Kommunale Versorgungsunternehmen müssen wiederum Transformationspläne erstellen, die die Integration erneuerbarer Energien in Wärmenetze fördern.

Derzeit beträgt der Fernwärmeanteil in deutschen Haushalten etwa 15 %, wobei 23 % aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

Investitionen weg von Erdgas und hin zu lokalen erneuerbaren Energien

Erdgas ist nach Erdöl die zweitwichtigste Energiequelle Deutschlands. 94 % davon werden importiert. Der größte Teil dieses importierten Gases wird für Heizzwecke verwendet. Für Kommunen bedeutet die Umstellung auf Fernwärme den Übergang von traditionellen Gasnetzen zu nachhaltigen, lokal bezogenen Energielösungen, die sich an zukünftige Bedürfnisse anpassen lassen.

Im Gegensatz zu den wiederkehrenden Kosten für importiertes Gas führen Investitionen in lokale erneuerbare Energiequellen letztendlich zu langfristigen Einsparungen und einer verbesserten Energieunabhängigkeit. Dieser Übergang erfordert erhebliche Investitionen, die bis 2030 auf 43,5 Milliarden Euro geschätzt werden, und ist eine lohnende einmalige Ausgabe für Investitionsobjekte.

„Die Nutzung lokaler erneuerbarer Energien durch Fernwärme reduziert nicht nur Emissionen, sondern macht Städte unabhängiger von externen Energiequellen. Auch wenn es verlockend ist, bei der Wärmeversorgung auf bewährte fossile Quellen zurückzugreifen, dürfen wir nicht vergessen, dass erneuerbare Technologien zunehmend die kostengünstigere, zuverlässigere und skalierbarere Alternative sind.“

Christin Herber
Principal Consultant, District Heating & Masterplanning

Sie fährt fort: „Die Rahmenbedingungen und finanziellen Anreize sind nach wie vor vorhanden, beispielsweise mit Förderprogrammen wie dem deutschen BEW zur Dekarbonisierung von Fernwärmesystemen, das weiter in das Gesetz integriert werden soll. Man muss also einen Weg finden, diese Möglichkeiten richtig und zum richtigen Zeitpunkt zu nutzen.“

Die deutschen Fernwärmeziele

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    Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55 % bis 2030

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    Jährlich 100.000 Gebäude an Fernwärme anschließen

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    Benötigte Investition: 43,5 Mrd. €

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    Fokus auf lokale erneuerbare Energiequellen

So wird die Energiewende in Deutschland umgesetz

Umfangreiche Investitionen erfordern sorgfältige Überlegungen: Was soll beibehalten und was weggelassen werden? Daher entwickeln Kommunen und kommunale Versorgungsunternehmen derzeit detaillierte Fahrpläne für den Übergang zu erneuerbaren Energien.

Als Unternehmen mit dänischen Wurzeln verfügt Ramboll über wertvolles Fachwissen aus der dänischen Wärmewirtschaft. Denn dort werden über 65 % der Haushalte im ganzen Land und 98 % in der Hauptstadt Kopenhagen mit Fernwärme versorgt, die zu 75 % aus erneuerbaren Energien stammt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse könnte die Umstellung Deutschlands auf Fernwärme aus erneuerbaren Energien Folgendes umfassen:

Integration verschiedener erneuerbarer Energiequellen – von KWK bis Abfall

Die Einbindung unterschiedlicher erneuerbarer Energiequellen in Fernwärmenetze schafft eine widerstandsfähige und unabhängige Energieinfrastruktur.

Die Erfahrungen von Ramboll mit dem Fernwärmenetz in Kopenhagen zeigen die Vorteile der Nutzung von Überschusswärme aus Abfallverbrennung, erneuerbaren Energiequellen und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Dadurch konnten die CO2-Emissionen im Vergleich zu gasbefeuerten Kesseln um den Faktor drei reduziert werden, wodurch sich die Auswirkungen auf das Klima erheblich verringern und gleichzeitig die Kosten für die Endverbraucher sinken. Technologien wie große Wärmepumpen und Erdbeckenwärmespeicher (PTES) bieten zusätzliche Flexibilität und Effizienz und können an die spezifischen regulatorischen und marktbezogenen Anforderungen in Deutschland angepasst werden.

Niedertemperatur-Heizlösungen ermöglichen eine effiziente Integration

Ein wichtiger Aspekt für den Erfolg der Fernwärme in Dänemark ist die Einführung von Niedertemperatur-Heizlösungen. Dänische Fernwärmenetze arbeiten oft mit Vorlauftemperaturen unter 80 °C und Rücklauftemperaturen unter 50 °C. Dadurch ist eine effiziente Integration lokal verfügbarer erneuerbarer Wärmequellen wie Solarthermie und Geothermie möglich.

Dies reduziert den Energieverbrauch, erhöht die Systemeffizienz und senkt die Betriebskosten. In Deutschland beginnen Kommunen langsam, ähnliche Niedertemperatur-Heiztechniken einzuführen, insbesondere in Gebieten, in denen neue Netze geplant sind. So kann die Wärmeübertragung in Gebäuden optimiert und der Verbrauch über digitale Schnittstellen überwacht und gesteuert werden.

Verstärkte Zusammenarbeit mit den wichtigsten Interessengruppen

Eine frühzeitige Kommunikation und transparente Prozesse sorgen für reibungslosere Entscheidungsprozesse und stärken das Vertrauen zwischen den Interessengruppen.

In Dänemark ist die Fernwärmeversorgung dank der engen Zusammenarbeit zwischen Versorgungsunternehmen, Bürgern und Kommunen, die sich häufig in Verbänden zusammenschließen, um Ressourcen und Know-how zu bündeln, erfolgreich. Dadurch werden größere Projekte realisierbarer und kostengünstiger.

Durch die Zusammenarbeit werden die Planungs- und Umsetzungskosten verteilt, wodurch die finanziellen Ressourcen optimiert und die Verhandlungsposition gegenüber den Lieferanten gestärkt wird. Eine sorgfältige Koordination und klare Kommunikation sind entscheidend, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Kommunen gerecht zu werden.

Da die Wärmewende in Deutschland vorwiegend durch Wärmepumpen und Elektrokessel vorangetrieben wird, ist die Zusammenarbeit mit den Betreibern von Stromnetzen und Elektrizitätswerken von besonderer Bedeutung.

Drei führende Fernwärmeprojekte von Ramboll in Dänemark und Deutschland:
Abwärmenutzung in KopenhagenWärmeleitplanung Stadtwerke WürzburgGroßwärmepumpen
Ramboll ist seit 1970 maßgeblich an der Entwicklung des 160 km langen Fernwärmenetzes von Kopenhagen beteiligt. Das Übertragungssystem setzt nach wie vor weltweit Maßstäbe. Durch die Nutzung von überschüssiger Wärme aus Müllverbrennung, erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sind die CO₂-Emissionen im Vergleich zu gasbefeuerten Kesseln um das Dreifache geringer. Das mindert die Auswirkungen auf das Klima erheblich und senkt gleichzeitig die Kosten für die Endverbraucher.Für die Stadtwerke Würzburg entwickelt Ramboll die Wärmeleitplanung bis 2040, zu dessen wichtigsten Dienstleistungen die Analyse der aktuellen Situation und des Potenzials, die Erstellung von Nachfrageszenarien, die Bewertung von Wärmequellen sowie die Ausarbeitung von Konzepten zur Umgestaltung des Fernwärmenetzes gehören. Der Plan umfasst eine detaillierte Vorplanung für die Umsetzung wichtiger Maßnahmen in den ersten zehn Jahren.Rambolls Expertise im Bereich großer Wärmepumpen umfasst namhafte Projekte wie das preisgekrönte Taarnby-Projekt in Dänemark. Dieses integriert Fernwärme und -kälte mit Abwasser- und Erdwärmekühlung verfügt über einen Kaltwasserspeicher, der eine kostengünstige, kohlenstoffarme Lösung ermöglicht. Darüber hinaus verteilt das Energiezentrum in Odense überschüssige Wärme aus dem Rechenzentrum von Meta an das Fernwärmenetz der Stadt und ist damit die größte Wärmepumpenanlage Dänemarks, die überschüssige Wärme aus einem Rechenzentrum nutzt.

Interessiert an Niedertempatur-Heizlösungen?

Lesen Sie diesen Ramboll-Artikel in Hot|Cool, Nr. 4 2025

UK Energy Act: ein anderer Ansatz für Fernwärme

Deutschland ist nicht das einzige Land, das Fernwärme als Eckpfeiler der städtischen Resilienz befürwortet. Das britische Energiegesetz von 2023 schafft die Voraussetzungen für einen Übergang zu sicherer, erschwinglicher und kohlenstoffarmer Energie, einschließlich Fernwärmenetzen. Durch die Durchsetzung einer „Zoneneinteilung” für Wärmenetze und die Verpflichtung zum Anschluss bestimmter Gebäude an diese Netze will Großbritannien die Abhängigkeit von importiertem Erdgas minimieren. Dieser gesetzliche Rahmen zeigt, wie städtische Gebiete durch lokale Energielösungen ihre Widerstandsfähigkeit stärken können. Bis 2050 soll der Anteil der Wärmeversorgung aus Wärmenetzen von weniger als 3 % auf 20 % steigen.

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  • Christin Herber

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