Dr.-Ing. Tim Fischer

21. April 2022

Amerika schaltet bei der Umstellung auf grüne Energie einen Gang höher, aber Hürden bleiben

Die Offshore-Windenergie könnte die Bemühungen der USA, erneuerbare Energien aufzubauen und die Kohlendioxidemissionen in einem noch nie da gewesenen Ausmaß zu reduzieren, grundlegend beschleunigen.

Koldioxidbudget vindkraft
Die USA machen selten halbe Sachen, aber sie haben sich das globale Klimaziel zu Herzen genommen, die CO2-Emissionen bis zum Ende des Jahrzehnts zu halbieren. Die Regierung hat sich im Jahr 2021 verpflichtet, die Treibhausgasemissionen der USA bis 2030 um 50 bis 52 % zu senken und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen.
Diese Investitionen in die grüne Energiewende sollen „uns helfen, den Fortschritt bei unseren Klimazielen zu Hause zu sichern“, sagte US-Präsident Joe Biden. „Diese ehrgeizigen Investitionen sind nicht nur gute Klimapolitik, sondern auch die Chance für jedes unserer Länder, in uns selbst und unsere eigene Zukunft zu investieren.“
Die weltweiten Investitionen in die grüne Energiewende stiegen im Jahr 2021 um 27 % auf 755 Mrd. USD, da erneuerbare Energien den fossilen Brennstoffen weiterhin preislich den Rang ablaufen. Wie uns der anhaltende Krieg in der Ukraine vor Augen führt, sind Investitionen in erneuerbare Energien außerdem eine starke Waffe im Kampf für Demokratie und Energieunabhängigkeit. Dennoch steht Amerika bei der Umstellung auf grüne Energie weiterhin vor großen Herausforderungen.
Achtung auf die Kluft
„Bei der Energiewende in den USA geht es zunächst um den Ausstieg aus traditionellen Energieerzeugungstechnologien wie Kohle und Gas und ihren Ersatz durch Solar- und Windenergie zur Versorgung der amerikanischen Haushalte und der Industrie“, sagt Dr. Tim Fischer, Weltdirektor für Offshore-Winddienste bei Ramboll.
Die USA sind nach China der zweithöchste Primärenergieverbraucher der Welt. Etwa 60 % der Energieproduktion der Staaten basiert auf Erdgas und Kohle. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in den USA beträgt heute 21 % und soll bis Mitte des Jahrhunderts auf 42 % steigen. Am 29. März 2022 erreichten die USA einen Meilenstein im Bereich der grünen Energie, als mit Windturbinen auf dem amerikanischen Festland zum ersten Mal mehr Strom aus Windenergie produziert wurde als aus Kohle und Kernenergie.

„Bei der Energiewende in den USA wird es weniger um neue Technologien gehen als vielmehr um die Entwicklung der Infrastruktur und der lokalen Lieferketten, die für die grüne Wende erforderlich sind, wie z.B. ein verbessertes Stromnetz sowie maritime Einrichtungen zur Unterstützung des Ausbaus der Offshore-Windenergie“

Tim Fischer
Global Director for Offshore Wind Services at Ramboll

Während die Windenergie auf Land längst ein etablierter Bestandteil des US-Energiesystems ist, werden derzeit nur 42 MW Offshore-Windkraft in den USA erzeugt. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Offshore-Windenergie aus US-Gewässern auf 30.000 MW zu bringen, womit zehn Millionen Haushalte mit grüner Energie versorgt werden könnten.
Von global nach lokal
Offshore-Windparks können schnellere und beständigere Winde auf dem Meer erfassen und werden ein zentraler Baustein der grünen Energiewende in den USA sein. Sie sind vor allem für die nordöstlichen US-Bundesstaaten von Bedeutung, die viele Einwohner und einen hohen Energiebedarf haben, denen es aber an Land an Platz für die Installation einer groß angelegten grünen Energieinfrastruktur fehlt.
Ein verstärkter Einsatz von Offshore-Windkraftanlagen ist auch an der Westküste der USA vorgesehen, unter anderem in Kalifornien, der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt und etablierter Vorreiter bei Innovationen im Bereich grüner Energie. Dabei wollen die US-Golfküstenstaaten ihre große Erfahrung mit Offshore-Öl und -Gas für den Übergang zu einer Offshore-Windindustrie nutzen.
Der Aufbau einer lokalen US-Lieferkette und Hafeninfrastruktur für Offshore-Windkraftanlagen ist jedoch eine große Hürde. Die Lieferkette für Offshore-Windkraftanlagen ist heute global, während die Hafenanlagen in den USA größtenteils anderen Branchen gewidmet und meist nicht in der Lage sind, Komponenten in der Größenordnung umzuschlagen, die für die aktuellen und zukünftigen Generationen von Offshore-Windkraftanlagen benötigt werden. Außerdem müssen in den USA erst noch qualifizierte Arbeitskräfte für den Bau und den Betrieb von Offshore-Windkraftanlagen ausgebildet werden.
„Die USA sind ein attraktiver Markt für Offshore-Windkraft, und da gibt es wirklich Bewegung. Doch liegt der Großteil des Know-hows für Offshore-Windkraft in Europa. Der erste Schritt zum Aufbau lokaler Offshore-Windkapazitäten in den USA besteht darin, die Kluft zwischen den Technologie- und Dienstleistungsanbietern in der EU und den Energieentwicklern in den USA zu überbrücken“, erklärt Fischer. „Die Herausforderung besteht darin, aus dem Stand zu starten und die Ziele für den Ausbau der Offshore-Windenergie bis 2030 zu vernünftigen Kosten zu erreichen.“
Offshore-Windkraftlösungen made in USA
Dominion Energy, einer der größten US-Versorger, will beweisen, dass dies möglich ist. Das Unternehmen entwickelt das 2640 MW-Projekt Coastal Virginia Offshore Wind, das 27 Meilen vor Virginia Beach installiert werden soll. Dieser Windpark wird voraussichtlich bis zu 600.000 Haushalte mit Strom versorgen, 5 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr vermeiden und 1100 Arbeitsplätze schaffen. Er soll 2026 in Betrieb gehen und wird der erste Windpark sein, der einem US-Versorgungsunternehmen gehört.
Gleichzeitig rüstet Dominion Energy ein Tiefwasserterminal im Hafen von Virginia auf, um die für den Bau des Windparks benötigten schweren Offshore-Windkomponenten umschlagen zu können. Außerdem entwickelt das Unternehmen gerade in einer Werft im texanischen Brownsville das erste US-amerikanische Offshore-Windturbinen-Installationsschiff, für das mehr als 14.000 Tonnen einheimischer Stahl verwendet werden, fast 10.000 Tonnen davon von Lieferanten aus Alabama, West Virginia und North Carolina.

„Es wäre ein großer symbolischer Gewinn für die USA, einen lokal entwickelten Offshore-Windpark zu haben“

Dr Tim Fischer
Global Director for Offshore Wind Services at Ramboll

„Dominion Energy entwickelt die für den Windpark erforderliche Infrastruktur von Grund auf selbst, wobei Ramboll die technische Entwicklung, das Projektmanagement und die Beratung übernimmt. Das ist ein einzigartiges Modell, an dem beide Partner lernen werden, was erforderlich ist, um eine kommerzielle, lokal unterstützte Offshore-Windkraftanlage in US-Gewässern zu realisieren.“
Seinerseits wird der 132 MW-Offshore-Windpark South Fork vor Montauk Point im Bundesstaat New York das erste jemals in den USA gebaute Umspannwerk für Offshore-Windkraftanlagen umfassen. Dieses Umspannwerk wird von Ramboll entworfen und von dem lokalen Bauunternehmen Kiewit im Auftrag des gerade in der Gründung stehenden Konsortiums zwischen Ørsted und Eversource gebaut. Nach der Betriebsaufnahme im Jahr 2023 wird dieser Windpark mehr als 70.000 Haushalte auf Long Island mit Strom versorgen.
Ausgewählte Ziele der US-Bundesstaaten für Offshore-Windkraft
  • Der Staat New York hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 9000 MW Offshore-Windkraft zu erzeugen und bis 2040 eine emissionsfreie Stromversorgung zu erreichen.
  • Virginia will bis 2034 mindestens 5200 MW Offshore-Windkraft erzeugen und bis 2045 seine Energie zu 100 Prozent kohlendioxidfrei produzieren.
  • Kalifornien will im Juni dieses Jahres seine Planungsziele für Offshore-Windkraftanlagen bis 2030 und 2045 festlegen und hat sich verpflichtet, bis 2045 branchenübergreifend CO2-neutral zu werden.
  • Die Bundesstaaten Oregon und Washington prüfen derzeit Möglichkeiten und Angebote für Offshore-Windprojekte, einschließlich schwimmender Offshore-Windkraftanlagen.
  • Louisiana hat als erster Golfküstenstaat sein Ziel für Offshore-Windkraftanlagen festgelegt. Die Verpachtung von Offshore-Windgebieten im Golf von Mexiko wird für Ende 2022 erwartet.
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Offshore wind farm under blue sky

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